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Twitter-Analyse: Wie informieren sich Bundestagsabgeordneten bei Twitter?

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Dies ist ein Gastbeitrag von Rainer Faus (Geschäftsführer) und Leonie Schulz (Beraterin) von der Agentur pollytix strategic research. pollytix ist eine Berliner Agentur, die sich auf forschungsbasierte Beratung spezialisiert hat. Der Beitrag ist die Aktualisierung der ersten Twitter-Analyse "Wem folgen die MdB?" vom Dezember 2016. 

Grafik: Twitterquoten der Bundestagparteien (Stand April 2018)
Zum Einstieg ein wenig Statistik. 

73% der Abgeordneten im 19. Deutschen Bundestag haben einen Twitter-Account. Rund 1,6 Millionen Tweets haben alle aktuell gewählten Parlamentarier bisher zusammen gesendet. Durchschnittlich kommen so pro Monat über 30.000 neue Tweets hinzu. Jede*r Abgeordnete hat durchschnittlich 10.000 Follower. Twitter ist somit ein unumstritten wichtiges Kommunikationsinstrument für den Großteil der Abgeordneten. Die Plattform bietet die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erhalten, Informationen zu teilen, Position zu beziehen oder zu provozieren.

Grafik: Durchschnittliche Anzahl gefolgter Accounts pro Partei
Aber auch als Informationsquelle gehört Twitter zum Alltag vieler MdBs. 647 Accounts folgt jede*r Abgeordnete durchschnittlich. Welche Informationen nehmen sie dort wahr? Welche Quellen sind ihnen wichtig? Wessen Beiträge wollen sie nicht verpassen und gibt es unterschiedliche Präferenzen in den verschiedenen Fraktionen? Um diese Fragen zu beantworten, analysieren wir, wem die Abgeordneten bei Twitter folgen. 

Dieser Beitrag aktualisiert und erweitert damit gleichzeitig die Analyse des Twitter-Verhaltens des alten 18. Deutschen Bundestages von Martin Fuchs und SPIEGEL ONLINE. Er wirft einen Blick auf die Verschiebungen in den Popularitätslisten, welche durch 1,5 Jahre, zwei neue Fraktionen und über 160 zusätzliche MdB eingetreten sind. 

Wer twittert? 


Aktuell sind 520 von 709 Parlamentariern mit einem Account bei Twitter vertreten, die Twitter-Quote des Bundestags liegt somit bei 73%. Die twitternden MdBs verteilen sich nicht gleichmäßig über alle Parteien. Spitzenreiter sind die Grünen mit einer Twitterquote von 94%. Das Schlusslicht bilden die Unionsparteien (CSU: 57%/CDU: 51%).

Wie vielen Accounts wird gefolgt? 


Durchschnittlich folgen die Abgeordneten jeweils 647 Accounts. Der Durchschnittswert streut erneut zwischen den Parteien. Abgeordnete der Grünen folgen mit 975 Accounts im Durchschnitt den meisten, CSU-Abgeordnete mit 345 Accounts den wenigsten. Neun Abgeordnete folgen (bislang) niemandem und gehen somit nicht in die Analyse mit ein. 

Wem folgen die Abgeordneten? 

Grafik: Aus welchen Bereichen kommen die meistgefolgten Accounts?

Unter den 100 wichtigsten Quellen befinden sich vor allem Twitter-Accounts von Medien (47), von anderen Politiker*innen (37), von Partei- und Regierungsorganisationen (15) sowie der DGB

An der Spitze der meistgefolgten Accounts steht Regierungssprecher Steffen Seibert. 318 MdBs (61%) folgen ihm. 6 Plätze unter den Top10 nehmen klassische Nachrichtenangebote ein: Tagesschau, Spiegel Online/Spiegel Eilmeldungen, SZ, Zeit OnlineundWelt. Von den twitternden Politiker*innen haben es nur Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ins Ranking geschafft. Mit @spdbtist auch ein Fraktionsaccount unter den Top10 vertreten. 246 Abgeordnete folgen ihm, weniger als die Hälfte davon sind Abgeordnete der SPD. Auch für MdBs anderer Parteien ist der Fraktionsaccount somit eine relevante Twitter-Quelle. 

Im Vergleich zu den meistgefolgten Accounts des alten. 18. Bundestages zeigt sich trotz der über 160 hinzugekommenen twitternden Abgeordneten nur wenig Verschiebung. Auch im alten Twitter-Bundestag lagen Regierungssprecher, Medienangebote sowie Sigmar Gabriel und Peter Altmaier im Top10-Ranking. Herausgefallen aus den Top10 sind Ex-SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Staatsministerin Dorothee Bär (CSU). 


Wem folgen die Abgeordneten einzelner Parteien?


Beim Follower-Verhalten der einzelnen Parteien fällt jeweils die starke Fokussierung auf die eigene Partei auf: Fraktions-und Parteiaccounts sowie Spitzenpolitiker*innen aus den eigenen Reihen dominieren die parteiinternen Rankings. 

Lediglich bei CDU und CSU finden sich mit Regierungssprecher Steffen Seibert und Tagesschau sowie bei den Linken mit Neues Deutschland jeweils parteifremde Accounts in den Top10. Bei CDU, CSU und FDP findet sich zudem die jeweilige Jugendorganisation in den Listen, bei AfD und FDP sind zudem jeweils Accounts der Landesverbände aus NRW (@fdp_nrw, @AlternativeNRW) dabei.


Top 10
Was sind die meistgefolgten Accounts der CDU-MdB?
Neben dem Fraktions-, dem Partei-Account und dem Account der Jungen Union stehen auch einige Personen-Accounts hoch im Kurs bei den Abgeordneten der CDU: Staatssekretär und Ex-Generalsekretär Dr. Peter Tauber folgen 84% aller Abgeordneten der eigenen Partei, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Gesundheitsminister Jens Spahn folgen fast ebenso viele. Interessanterweise sind auch Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe und der Erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Michael Grosse-Brömer wichtige Quellen der CDU-Abgeordneten.  

Top 10
Was sind die meistgefolgten Accounts der CSU-MdB?

Von den 26 twitternden CSUler im Deutschen Bundestag folgen fast alle Aktiven auch den gleichen zehn Accounts im Top 10-Ranking. Spannend: Ministerpräsident Markus Söder ist nicht bei den Top-Accounts dabei, dafür aber die stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner, als auch die Ex-MdB Dagmar Wöhrl und Katrin Albsteiger. Letztere hat seit Oktober 2017 nicht mehr getwittert. Auch der netzpolitische Verein der Partei @CSU_net und die CSU-Landtagsfraktion scheinen wichtigere Quellen zu sein als der Ministerpräsident. 
Was sind die meistgefolgten Accounts der SPD-MdB?
Wer hätte das gedacht? Der ehemalige Kanzlerkandidat der SPD steht bei den eigenen Abgeordneten weiterhin hoch im Kurs. 84% der SPD-MdB folgen Martin Schulz weiterhin bei Twitter. Mehr als den aktuellen SPD-Minister*innen der GroKo. Im Ranking sind Hubertus Heil, Katarina Barley und Heiko Maas vertreten. Auch dem Generalsekretär Lars Klingbeil und dem Hamburger Viel-Twitterer Johannes Kahrs folgen fast 100 Bundestagsgenossen.
Was sind die meistgefolgten Accounts der AfD-MdB?

Fast alle twitternden AfD-Bundestagsabgeordneten folgen der Partei und der Fraktion. Aber auch das Mitgliedermagazin @AfDKompakt großer Beliebtheit. Diese hohe Folgequote die sich von den anderen Parteien unterscheidet ist eventuell damit erklärbar, das nach der Wahl viele MdB-Accounts von der Fraktion proaktiv angelegt wurden und erst sukzessive an die MdBs übergeben wurden. Bis dahin wurden sie von der Fraktion geführt und gepflegt. Mit Guido Reil ist auch ein AfD-Politiker unter den meistgefolgten, der weder im Bundestag, noch im Landtag für die Partei sitzt, aber intern ein großes Gewicht zu haben scheint.





Was sind die meistgefolgten Accounts der FDP-MdB?
Die FDP und auch die FDP-Fraktion sind Christian Lindner und Christian Linder ist die FDP. Nicht überraschend folgen dem größten FDP-Account auch mehr MdB als der eigenen Partei und der eigenen Fraktion. 92 % wollen nicht verpassen was der Parteichef und sein Team twittern. Neben einigen prominenten Abgeordneten, wie dem Ersten parlamentarischen Geschäftsführer Marco Buschmann oder der Generalsekreärin Nicola Beer und MdB Otto Fricke findet sich im Ranking auch der rheinland-pfälzische Minister Volker Wissing und der Account der Landes-FDP aus NRW.





Was sind die meistgefolgten Accounts der Linke-MdB?

Die wichtigsten Informationsquellen der Linken-Abgeordneten sind Partei, Fraktion, die Fraktionschefin als auch die Parteivorsitzenden. Überraschender ist dagegen, dass der parteinahen Zeitung "Neues Deutschland" neun von zehn MdB folgen. Dies ist bei keiner anderen Partei so. Neben den bekannten Talkshow-gästen und Parteipromis gibt es mit den MdB Christine Buchholz, Petra Sitte und Niema Movassat auch einige unbekanntere Gesichter im Ranking, die aber parteiintern wichtige Informationsquellen zu sein scheinen.






Was sind die meistgefolgten Accounts der Grünen-MdB?
Ähnlich wie bei der CSU folgen auch bei den Grünen fast alle aktiven Bundestags-Twitterer den wichtigsten Accounts im Ranking. Dabei scheinen die neuen Parteivorsitzenden MdB Annalena Bearbock und Robert Habeck genauso wichtig, wie Partei und Fraktion. Aber auch Politiker*innen aus der zweiten Reihe wie die Fraktionsvize Katja Dörner, Agnzieszka Brugger, Konstantin von Notz, Oliver Krischer und der haushaltspolitischer Sprecher Sven Kindler gehören neben der Fraktionsspitze zum festen Informationsrepertoire der Abgeordneten. Auch wenn die Alphatiere Cem Özdemir und Jürgen Trittin offiziell keine wichtigen Positionen mehr begleiten wird auf deren Meinung weiterhin gehört.

 

 

Welchen Medien folgen die Abgeordneten?  

 

Grafik: Was sind die meistgefolgten Medien-Accounts der MdB?

Medienangebote stellen einen großen Teil der meistgefolgten Twitter-Accounts. Die wichtigste Quelle darunter ist die Tagesschau. 309 MdBs (59%) folgen ihr bei Twitter. Dahinter rangieren vor allem Printmedien mit hoher Reichweite und deren Online-Formate. Aber auch der Sender ZDF und die Nachrichtenagentur dpa sind unter den 10 meistgefolgten Medienaccounts von MdBs zu finden. 

Einen detaillierten Blick auf die wichtigsten Informations-quellen ermöglicht die Betrachtung der Medien nach einzelnen Kategorien. Die Zuordnung erfolgt mit Blick auf das hinter dem Account steckende „Muttermedium“. Beispielsweise wird Zeit Online nicht als Onlineangebot sondern als Wochenzeitung eingeteilt.

Die Followerzahlen zeigen, dass öffentlich-rechtliche Angebote sowie Tages- und Wochenzeitungen eine wichtigere Rolle für die MdBs spielen als private Rundfunkangebote. Abgesehen von n-tv wird anderen Privatrundfunkangeboten kaum bei Twitter gefolgt. Bei den Online-Only Angeboten stehen Blogs und Accounts, die Wahlumfragen veröffentlichen, hoch im Kurs. Auch der Satire-Account Postillon ist unter den beliebtesten Angeboten vertreten. 

Grafiken: Meistgefolgte Accounts des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Vergleich zu privatem Rundfunk
Grafiken: Meistgefolgte Accounts Tageszeitungen und Wochenzeitungen/Zeitschriften im Vergleich

Grafik: Meistgefolgte Accounts Online-only/Blogs
Bei den Blogs und "Online-only"-Medien dominieren nicht überraschend politische und teilweise sehr fachspezifische Angebote wie @wahlrecht_de, @btwahltrend(Disclaimer: Ein Angebot der pollytix GmbH), @a_watch, @wahl_de, @politik_digital und @bundestagsradar in den Top 10.

Mit @netzpolitik und @bildblog finden sich aber auch zwei der meistgelesenen Blogs des Landes darunter. Immerhin knapp 29% aller Abgeordneten interessieren sich für netzpolitische Updates. Netzpolitik ist also immer mehr im politischen Mainstream angekommen.  



  
Auch bei der Betrachtung innerhalb der Parteien dominieren Accounts von Tages- und Wochenzeitungen sowie öffentlich-rechtliche Angebote. Bei AfD, CSU und SPD tauchen zusätzlich die parteizugehörigen Zeitungen AfD Kompakt, Bayernkurier und Vorwärts in der Top-Liste der entsprechenden Partei auf. 

Auch parteiübergreifende Filterblasen werden am Beispiel von Bild-Zeitung und Die Tageszeitung (taz) deutlich. Die Bild-Zeitung taucht im Top-Medien-Ranking von CDU, CSU, FDP und AfD auf, nicht aber bei SPD, Grünen und Linken. Hier ist wiederum jeweils @tazgezwitscher unter den meistgefolgten Medien vertreten.

Grafik: Meistgefolgte Medien-Accounts auf Twitter von CDU- und CSU-Abgeordneten

Grafik: Meistgefolgte Medien-Accounts auf Twitter von SPD- und AfD-Abgeordneten

Grafik: Meistgefolgte Medien-Accounts auf Twitter von FDP- und Linke-Abgeordneten






















































Meistgefolgte Medien-Accounts der Grünen-Abgeordneten







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Welchen Journalist*innen und Blogger*innen wird gefolgt?


Neben den Twitter-Accounts der Medienangebote spielen auch die Accounts einzelner Journalist*innen und Blogger*innen eine zentrale Rolle für die MdBs. 

Die meistgefolgten Journalist*innen/Blogger*innen der MdB
Auf das größte Interesse stoßen die Accounts von Jan Böhmermann und Sascha Lobo - beides keine klassischen Journalisten, eher Publizisten und Entertainer. Dahinter rangieren vor allem Journalist*innen aus den Print- und Onlinemedien sowie mit Dunja Hayali eine Fernsehjournalistin.

Unter den Top 10 befinden sich Journalist*innen von WELT (2), SPIEGEL ONLINE (2), BILD am Sonntag (1), Tagesspiegel (1), freitag (1) und dem ZDF (1).  

 
Betrachtet man nun die Parteien wieder individuell werden wieder klare Unterschiede zwischen den Parteien deutlich. In den Listen der CDU- und FDP-Abgeordneten dominieren aktuelle oder ehemalige Journalist*innen des Axel Springer Verlags, darunter Kai Diekmann, Robin Alexander, Miriam Hollstein und Ulf Poschardt

Bei Abgeordneten von Grünen, Linken und SPD streut die Liste der meistgefolgten Accounts stärker. Bei den Grünen sind beispielsweise auch ein taz-Redakteur (UlrichSchulte) und Zeit-Redakteurinnen (Lisa Caspari und Mariam Lau) zu finden. Meistgefolgt von den Linken wird der ehemalige Chefredakteur von Neues Deutschland, Tom Strohschneider. Aber auch Jung&Naiv-Chefredakteur Tilo Jung wird von über 40% der Linken-MdBs bei Twitter gefolgt und landet im Top10-Ranking. Für Abgeordnete der CSU sind zusätzlich die Accounts der Redakteure regionaler Medien wichtig: Meistgefolgt von ihnen ist Christian Deutschländer, Chefredakteur vom Münchner Merkur. 

Grafik: Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von CDU- und CSU-Abgeordneten
Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von FDP- und Linke-Abgeordneten

Grafik: Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von SPD- und AfD-Abgeordneten



Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von Grünen-MdB
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Welchen Interessenvertretungen folgen die MdB? 


Die meistgefolgten Interessenvertretungen der MdB
Mit dem DGB hat es auch eine Gewerkschaft in die Liste der 100 meistgefolgten Accounts der MdBs geschafft. Andere Interessenvertretungen, denen viele Abgeordnete bei Twitter folgen, sind u.a. ver.di, Greenpeace, Campact und IG Metall

Aus den Reihen der parteinahen Stiftungen hat es nur die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung ins Ranking geschafft. Nicht mehr in der Top10 Liste, aber auch häufig gefolgt werden die Friedrich-Ebert-Stiftung (73) und die Konrad-Adenauer-Stiftung (64). Dahinter rangieren im Ranking der parteinahen Stiftungen die Rosa-Luxemburg-Stiftung (56), Friedrich-Naumann-Stiftung (53) und Hanns-Seidel-Stiftung (22). 

Mit Lobbycontrol folgen immerhin 14% aller twitternden Parlamentarier der NGO, die sich für Transparenz im Lobbyismus einsetzt. Ironischerweise ist sie damit also eine der wichtigsten Interessenvertretungs-Informationsquellen der MdB

In den Top 10 sind weder ein (Wirtschafts-)verband noch ein Unternehmen vertreten.

 
Die meistgefolgten Wirtschaftsverbände der MdB
Bei den Interessenvertretungen aus dem Bereich Wirtschaft steht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) an der Spitze, gefolgt vom Verband der Familienunternehmersowie dem Verband der Jungen Unternehmer















 

Welchen Unternehmen folgen die MdB?  


 
Die meistgefolgten Unternehmen der MdB auf Twitter
Die Twitter-Accounts von Unternehmen spielen für die Abgeordneten im Vergleich zu Interessenvertretungen nur eine untergeordnete Rolle. Unter den Top10 sind mehrere Unternehmen, die bei Twitter Zahlen aus Meinungs- und Wahlforschung präsentieren (infratest dimap, pollytix, YouGov). Darüber hinaus schaffen es nur wenige Wirtschaftsunternehmen, eine Vielzahl an Followern aus dem Bundestag anzuziehen.
 

Relevanter sind im Bereich Wirtschaft und Public Affairs die Accounts einzelner Lobbyisten oder Geschäftsführer, darunter Axel Wallrabenstein(105), Christian Wohlrabe (62), Nico Lumma (62) oder Dietrich von Klaeden (55).



Weitere beliebte Accounts der MdBs sind die Polizei Berlin (88) sowie Polizei Berlin Einsatz (78), Kabarettist Dieter Nuhr (82), Papst Franziskus (77), Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (75), die Deutsche Nationalmannschaft (72), Pro Asyl (72) und Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (71).


Die Analyse zeigt, dass das viel diskutierte Problem der Filter-Bubbles auch im Twitter-Bundestag eine große Rolle spielt. Die MdBs folgen vor allem Accounts aus den eigenen Reihen. Auch bei den gefolgten Medien, Journalist*innen und Blogger*innen zeigen sich deutliche Parteipräferenzen. Dies führt zu Timelines, die vor allem die eigene politische Haltung wiederspiegeln und verstärken – ein Faktor, der sich auch auf die politische Arbeit auswirken könnte.



Autor*innen

Rainer Faus
Rainer Faus, ist Gründer und Geschäftsführer von pollytix strategic research, einer in Berlin ansässigen Agentur für forschungsbasierte Beratung und ist spezialisiert auf Meinungsforschung, Kampagnen und Wahlkampf. In den letzten 10 Jahren hat er an mehr als 30 Wahlkämpfen in Deutschland, Asien, Australien und Neuseeland mitgewirkt.
  
Twitter: @rainerfaus

 

 

 

 



Leonie Schulz
Leonie Schulz, ist Beraterin bei pollytix strategic research. Hier ist sie vor allem für quantitative Forschungsprojekte und Analysen verantwortlich und berät Parteien, Verbände und Unternehmen.









 

Warum ich mich als Politiker gegen 30.000 Fake-Follower wehre

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Dies ist ein Gastbeitrag des Bundestagsabgeordneten Dr. Lukas Köhler. Er sitzt für die FDP seit 2017 als Obmann im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sowie im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. 

Screenshot
Twitter-Account von Dr. Lukas Köhler, MdB
Im September 2017 bin ich über die Landesliste der FDP Bayern erstmals in den Deutschen Bundestag eingezogen. Die Zeit seither ist mit vielen extrem spannenden, aber auch völlig neuen Erfahrungen verbunden. Mit zwei sehr großen Herausforderungen war ich gleich ganz am Anfang meiner Zeit in Berlin konfrontiert: Wie bediene ich ein Faxgerät– das wichtigste Kommunikationsmittel im Bundestag? Und wie gehe ich mit Fake-Followern auf Twitter um?

Denn Ende Oktober fing es plötzlich an. Mein Twitter-Account – noch relativ neu, erst im Wahlkampf gestartet und bisher mit einer eher überschaubaren Zahl von rund 150 Followern – erfreute sich plötzlich größter Beliebtheit. 500 Follower. Kurz danach 1.000, dann 2.000, 3.000, schließlich 5.000 Follower. Meiner anfänglichen Freude über das zunehmende Interesse an meiner Meinung zum politischen Geschehen wich schnell einer gehörigen Portion Skepsis, denn mir war klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Es musste sich um Fake-Follower handeln. Während ich noch darüber nachdachte, welchen Sinn es haben, welches Interesse jemand damit verfolgen könnte, meinen twitter-Account mit lauter Fakes zu überfluten, wurde mir klar: Du musst hier gegensteuern, um nicht in Verdacht zu geraten, mit gekauften Followern Eindruck und Reichweite vortäuschen zu wollen. Ich wäre schließlich nicht der Erste gewesen, der das versucht – und auch, wenn die Art und Weise recht plump gewirkt hätte, wäre es nicht überraschend gewesen, wenn dieser Eindruck 
entstanden wäre.

Quelle: Pluragraph.de
Entwicklung der Twitterfollower Dr. Lukas Köhler (Pluragraph.de)
In der Folge habe ich mich an Twitter-Experten und an Twitter selbst gewandt, um zu erfahren, was ich gegen diese Flut offensichtlicher Fake-Follower tun könne. Die Antwort war ernüchternd: Prinzipiell erstmal nichts, außer den Account auf nicht-öffentlich stellen und die falschen Profile manuell oder mit Hilfe kommerzieller Programme rauszufiltern. Obwohl mir diese Lösung widerstrebte, da ich Twitter schließlich ganz bewusst für die Öffentlichkeit nutze, blieb mir nichts anderes übrig. 

Nach einiger Zeit habe ich immer wieder probiert, das Profil öffentlich zu stellen – und jedes Mal stieg die Zahl der Follower in Windeseile wieder an. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Derzeit habe ich mit Hilfe des Programms Statuspeoplerund 30.000 Profile identifiziert und geblockt. Für Statuspeople habe ich mich nach intensiver Recherche im Netz und letztlich meinem Bauchgefühl folgend entschieden. Und auch, wenn das Problem nicht vollständig gelöst wurde, bin ich letztendlich froh, diesen Weg gegangen zu sein. Enttäuscht bin ich von Twitter selbst. Nicht, weil offensichtliche Fake-Accounts erst gesperrt werden, nachdem sie gemeldet wurden. Das finde ich gut und richtig. Aber dass eine Kontaktaufnahme offensichtlich nicht möglich ist und sich niemand auf meine Anfragen gemeldet hat, verstehe ich nicht unter gutem Userservice.

In letzter Zeit war dann aber auch endlich Ruhe, die Zahl meiner Follower pendelte sich bei ca. 4.000 ein, von denen ich immer noch eine beträchtliche Zahl als Fakes eingeschätzt habe. Aber immerhin stieg die Zahl nur noch in dem Maße, wie ich es mir auf Grund meiner Aktivität habe. Mein Profil war dabei wieder öffentlich, da ich mich nicht dauerhaft geschlagen geben wollte Sollte die Zahl der Fake-Follower allerdings wieder steigen, werde ich mich gezwungen sehen, wieder einzuschreiten. Zuletzt allerdings geschah ohnehin etwas Anderes: Offenbar ist Twitter, nach wie vor ohne Kommunikation mit mir, selbst aktiv geworden und hat eine Reihe von Fakes entfernt. Mit meinem aktuellen Stand von 1.342 Followern fühle ich mich wieder wohl, denn diese Zahl halte ich tatsächlich für sehr realistisch.

Gerne würde ich den Beitrag mit einem Rat beenden, wie man sich vor diesem Problem schützen kann. Leider muss ich sagen, dass ich diesen Rat für die Zukunft selbst gerne bekommen würde, falls sich die Situation wiederholt. Ich würde allerdings jederzeit wieder offensiv mit dem Thema umgehen, statt mich nicht mit meiner großen Zahl an Followern zu brüsten. Denn ich weiß dann, dass sie nicht echt sind, sondern dass mir irgendjemand einen üblen Streich spielt, von dem ich nicht mal weiß, welchen Nutzen er sich davon verspricht. 


Eins ist jedoch auch klar: Ich lasse mich weder von Twitter vertreiben, noch werde ich mich der Masse an Fakes jemals kampflos geschlagen. Ich hoffe jedoch, ab sofort wieder ein Profil mit Followern zu haben, die zum Teil inhaltlich mit mir übereinstimmen, zum anderen Teil aber auch in den fairen Wettstreit der Meinungen mit mir treten. Denn die sachliche Debatte ist es doch, die Politik ausmacht und aus der ich selbst auch immer wieder lernen kann. 



Autor 

Dr. Lukas Köhler
Dr. Lukas Köhler ist klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Obmann der FDP-Fraktion im Umwelt- und Menschrechtsausschuss und ist Mitglied im Parlamentarischen Beirat für Nachhaltigkeit. Zuvor war Geschäftsführer des von ihm mitgegründeten Zentrums für Umweltethik und Umweltbildung an der Hochschule für Philosophie in München.

Twitter: @koehler_fdp




 

Wahlplakate from Hell: Landtagswahlen Bayern & Hessen

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fDer Klassiker ist zurück! 

Nachdem ich bereits im letzten Europawahlkampf, bei der Hamburger und der Bremer Bürgerschaftswahl, bei den Landtagswahlen im März und September 2016 sowie den Landtagswahlen 2017 und der letzten Bundestagswahl die schönsten "Wahlplakate from Hell" präsentiert habe, konnte ich eurem Wunsch nicht widerstehen und habe auch wieder zu den Landtagswahlen im Freistaat Bayern (14. Oktober 2018) und Hessen (28. Oktober 2018) einige schöne Motive drüben bei Twitter und Facebook zusammengetragen.

Hier nun alle auf einen Blick:

 

Freistaat Bayern


Eva Kappl, Linke Bayern
 
Michael Streibl, FDP
 
Luis Fuchs, ÖDP
 
Michael Lehner, CSU 

Emilia Kirner, ÖDP
 
Dr. Franz Rieger, CSU 



FDP Bayern

CSU Kempten 
 

 

10 Politiker*innen von denen man was lernen kann - Die komplett subjektive Top 10 für 2018

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Dieser Beitrag erschien zuerst im FUNKTURM - Magazin für Medien und Politik, Ausgabe 8 zum Thema "#Infokrieg. Angriff auf die Medien". Mit-Autor ist Tom Waurig, der als Projektleiter und Redakteur bei der Agentur STAWOWY arbeitet.  


Ich werde sehr sehr oft gefragt: "Was sind eigentlich die besten Politiker*innen auf Social Media?" 

Stawowy Media
Cover Funkturm #8
Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten: Was bedeutet "beste"? Die Messung des Erfolges von Accounts hängt natürlich immer sehr stark von der individuellen Strategie der Politiker*innen ab: Geht es darum viel Interaktion/Diskussion zu erzeugen? Möchte man im Wahlkreis wenige gesellschaftliche Multiplikatoren erreichen oder wird Social Media hauptsächich passiv als nicht unwichtiges Monitoring-Tool in einem speziellen Fachgebiet genutzt? Meistens weiß ich also gar nicht, welche KPI den Politiker*innen wichtig sind und warum sie so agieren, wie sie agieren. 

Trotzdem habe ich als Tom Waurig mir diese Frage wieder stellte gemeinsam mit ihm versucht die Frage zu beantworten ;) . Die hier gelisteten zehn Politiker*innen (bzw. ehrlich gesagt sind es sogar 13) habe ich vorallem ausgewählt, weil sie alle für etwas unterschiedliche Ansätze stehen, die ich aber in jedem Fall spannend und qualitativ sehr gut umgesetzt finde. 

Voila, die Besten der Besten ;)  


Katharina Schulze (Bündnis 90/Die Grünen), MdL

Eis Eis baby
Instagram-Story von Katha Schulze
Die geborene Social-Media-Politikerin. Für die Grüne wurden Live-Videos und Stories quasi erfunden, denn keine deutsche Parlamentarierin beherrscht die Klaviatur der Netzwerke so perfekt wie sie. Das Smartphone ist nicht erst seit dem bayrischen Landtagswahlkampf überall dabei. Schulze nimmt Fans und Follower persönlich mit, sie sucht den direkten Dialog und nutzt ihre wenigen freien Minuten um ansprechbar zu sein und politische Inhalte zu erklären– meistens unterwegs in der Bahn. Wohl fühlt sich Schulze offensichtlich überall – egal ob digitale Klassiker wie Facebook und Twitter oder jüngere Messengerdienste wie WhatsApp und Snapchat. So gut wie jede digitale Aktion hat einen inhaltlichen Aufhänger, eine Message, Forderung oder Idee. Kurzum: unterhaltsam und informativ in einem.

Alle Social-Mdia-Profile von Katharina Schulze auf Pluragraph.de 





Konstantin Kuhle (FDP), MdB

FDP
Tweet von Konstantin Kuhle
Der frühere Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen weiß, wie man kurz aber prägnant formuliert – das beweist er mit pointierten Beiträgen auf Twitter,die häufiger viral gehen und demzufolge auch Menschen außerhalb der liberalen Blase erreichen: Ampel-Koalition, Cannabislegalisierung oder die Idee eines europäischen Bundesstaates. Seit letztem Jahr sitzt Kuhle nun für die FDP im Bundestag und ist dort der neue innenpolitische Sprecher der Fraktion. Dank seiner Social-Media-Kompetenz bleiben seine Positionen im medialen Diskurs. Auch deshalb stieg Kuhle zum beliebten Talk-Show-Gast und geschätzten Gastschreiber der Tagespresse auf. Auf Instagram gibt er darüber hinaus einen Einblick in sein Privatleben abseits des Politikeralltags, ohne alle Details preiszugeben.

Alle Social-Media-Profile von Konstantin Kuhle auf Pluragraph.de


Dorothee Bär (CSU), MdB und Staatsministerin für Digitalisierung

Doro Bär
Instagram-Posting von Dorothee Bär
Die Staatsministerin für Digitalisierung macht ihrem Job alle Ehre und ist auch im WWW eine Marke. Bär kommt in fast all ihren Posts ohne klassische Phrasen und die üblichen Fotomotive aus. Im Netz ist sie vor allem Mensch – mit Hang zum Glamour. Sie hat Spaß an dem, was sie tut und daher mischt sie bei Twitter, Facebook und Instagram in Dialogen mit oder taucht auf fremden Profilen auf. Mit ihrem verspielten Style zeigt sie gerade jungen Frauen, dass Politik nicht nur grau ist und man als Einhornfan genauso politisch Karriere machen kann. Hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Christian Lindner hat sie in wenigen Jahren die drittgrößte deutsche politische Instagram-Communityaufgebaut. Kritik gibt es trotz allem Positiven, denn manchmal kommen die Inhalte etwas zu kurz.

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Bodo Ramelow (Die Linke.), Ministerpräsident

Ministerpräsident von Thüringen
Tweet von Bodo Ramelow
Das Urgestein unter den Social-Media-Politikern. Ramelow ist schon seit Ende der Neunziger im Netz unterwegs. Kommuniziert wird vor allem via Twitter. Was ihn auszeichnet? Dass er keiner Diskussion aus dem Weg geht. Kabbelt sich öffentlich mit dem politischen Gegner aber auch mit Parteifreunden.Der Linken-Ministerpräsident ist medial dauerpräsent, setzt Themen, probiert sich aus und hat ganz nebenbei einen von Presse unabhängigen Kanal etabliert, der es ihm ermöglicht, auch in kritischen Situationen mehrere 10.000 Bürger und Multiplikatoren zu erreichen. Das entscheidende dabei: Sein Kanal lebt von ihm als Person. Alles was getwittert wird, kommt von Ramelow höchstselbst. Auch mit seiner Rechtschreibschwäche geht er offen und souverän um, macht sie oft selbst zum Thema.

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Tiemo Wölken (SPD), MEP

YouTube-Video von Tiemo Wölken
Wer wissen will, wie sehr gut gemachte politische Videos aussehen müssen und wie man Politik audio-visuell präsentiert, wird beim Europaabgeordneten Tiemo Wölken fündig. Als Nachrücker der SPD hat er innerhalb weniger Wochen einen der größten YouTube-Accounts eines deutschen Europapolitikers auf die Beine gestellt – in Zahlen heißt das: Aktuell über 26.000 Abonnenten. Geholfen hat ihm ein Influencer. Wölken hat die Herausforderung angenommen, die Komplexität der Europapolitik zu erklären und tut dies fast täglich. Ein Mammutprojekt, dem er sich authentisch, entspannt und informativ stellt. Weil Videos sein Ding sind, überzeugt er auch bei Instagram und macht nebenbei noch Werbung für seinen Wahlkreis und seinen Wohnort Osnabrück: Win-win.

Alle Social-Media-Profile von Tiemo Wölken auf Pluragraph.de


Nikolas Löbel (CDU), MdB

Instagram-Story Nikolas Löbel
Er zählt zur Kategorie politischer Newcomer aus der zweiten Reihe des Parlaments. Vor einem Jahr noch lieferte er sich in Mannheim ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das Direktmandat für den Bundestag. 1,4 Prozent lagen am Ende zwischen ihm und seinem SPD-Kontrahenten. Seitdem ist es ihm binnen kurzer Zeit gelungen, dass er medial wahrgenommen wird. Der Neu-Parlamentarier der CDU setzt auf gut gemachte, dramaturgisch durchdachte und professionell produzierte Instagram-Stories mit den er dem Bürger Politik sehr einfach aber klar erklärt. Löbel beweist damit, dass der Foto-Dienst sehr wohl politisch sein kann und sich deshalb genauso gut für die politische Kommunikation eignet.

Alle Social-Media-Profile von Nikolas Löbel auf Pluragraph.de


 






Dr. Sahra Wagenknecht (Die LINKE.), MdB

Textposting
Facebook-Posting Sahra Wagenknecht
Auf ihr Konto geht eine der größten politischen Facebook-Communities in Deutschland. Dabei postete die Co-Fraktionschefin der Linken im Bundestag lange Zeit fast ausschließlich längere Textbeiträge. Sie beweist damit, dass man seine Fans auch mit politischen Inhalten und ohne viel medialen Schnickschnack begeistern kann. Die Interaktion ist hoch und die Kommentarspalten sind voll – egal bei welchem Thema. Wagenknechts Facebook-Auftritt ist zu einemmachtvollen Instrument bei der Mobilisierung geworden. Dies konnte man zuletzt beim Start der linken Sammlungsbewegung #Aufstehen verfolgen. Erreicht hat sie das mit einem fleißigen Team im Hintergrund und einem professionellen Communitymanagement. Obwohl sie Facebook erst seit gut drei Jahren nutzt, sammeln sich bei ihr 450.000 Fans – das sind fast 10-mal mehr wie noch 2015.

Alle Social-Media-Profile von Dr. Sahra Wagenknecht auf Pluragraph.de


Aminata Touré (Bündnis 90/Die Grünen), MdL

Grüne SH
Instagram-Story Aminata Touré 
Hautnah dabei sein, wenn Politik gemacht wird, wenn man Niederlagen aushalten muss, wenn man sich ärgert, sich freut und auch dann, wenn es private Probleme gibt. Touré sitzt für die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein, nimmt Fans und Follower gewissermaßen live mit in die politischen Arenen und lässt sie bei Instagram an ihrem politischen Leben teilhaben. Dadurch macht sie die doch manchmal recht trockene Politik erlebbar. Ihre Social-Media-Profile sind aber nicht nur etwas für das junge Publikum, denn sie erklärt Hintergründe zu Diskussionen und zeigt, wieviel Arbeit hinter einem Gesetz steckt. Extrem sehenswert, weil verwackelt, mitten aus dem Leben und wenig inszeniert wirkend.

Alle Social-Media-Profile von Aminta Touré auf Pluragraph.de







Christian Lindner (FDP), MdB

FDP
Facebook LIVE Christian Lindner
Mister Social Media, keine andere Bezeichnung wäre treffender für den FDP-Alleinherrscher. Lindner hat eigene Formate und Stile erfunden und geprägt und ist wohl mit Abstand der deutsche Politiker, der es am besten versteht, sich in digitalen Medien zu inszenieren. Die Erfolgsformel? Smarte, offene und vor allem stylische Kommunikation, die ihm sowohl in den klassischen Medien als auch innerhalb seiner Partei viel Aufmerksamkeit beschert. Bei Lindner trifft Inhalt auf Ästhetik. Mit einer nahbaren und sehr dialogorientierten Kommunikation hat er sich eine sehr aktive und ihm extrem zugewandte Community geschaffen, die dafür sorgt, dass seine Themen und Positionen in die Breite getragen werden. Ohne Social Media und einen umtriebigen Chef, würde es die FDP heute wohl nicht mehr geben– jedenfalls nicht im Bundestag. Es gilt also weiter: Digital first, Bedenken second.

Alle Social-Media-Profile von Christian Lindner auf Pluraraph.de


Junges SPD-Quartett Julitz/Aßmann/da Cunha/Dahlemann

Facebook LIVE Julitz/Aßmann/da Cunha/Dahlemann
Während die einzelnen Profile verbesserungswürdig sind, punktet die SPD Mecklenburg-Vorpommern als Kollektiv oder besser: als Quartett. Nadine Julitz, Philipp da Cunha, Elisabeth Aßmann, Patrick Dahlemann sitzen nicht nur allesamt im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sondern haben auch ein Videoformat geschaffen, um den Austausch mit der Bevölkerung wiederzubeleben. Das ist deshalb besonders, weil Social Media für viele Landespolitiker im Norden immer noch ein Fremdwort ist und der Dialog lange brach lag. Die vier jungen Parlamentarier*innen erklären ihren Alltag und ihre politischen Standpunkte vor der Kamera – frisch und ungekünstelt. Sie machen Politik wieder attraktiv und ermöglichen ein Blick hinter die Kulissen der Landespolitik. Und so gehört die SPD-Auswahl zur Social-Media-Sperrspitze eines ansonsten ziemlich undigitalen Landes.

Alle Social-Media-Profile von Nadine Julitz auf Pluragraph.de
Alle Social-Media-Profile von Elisbeth Aßmann auf Pluragraph.de 
Alle Social-Media-Profile von Philipp da Cunha auf Pluragraph.de
Alle Social-Media-Profile von Patrick Dahlemann auf Pluragraph.de 


#Followerpower

Dies ist natürlich nur eine sehr subjektive Liste von Tom Waurig und mir. Wer gehört für Euch auf jeden Fall noch in diese Liste? Freue mich über alle eure Hinweise, Empfehlungen und Begründungen von welchem/r Politiker*in man noch was lernen kann, wenn es um digitale Kommunikation geht.


Das Magazin FUNKTURM kann hier bestellt werden ;)

Willkommen im Zeitalter digitaler Gegenöffentlichkeiten

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Dies ist Gastbeitrag von Jan Rau, wissenschaftlicher Mitarbeiter am GESIS-Leibniz Institut für Sozialwissenschaften und der Princeton University und von Felix M. Simon, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford. Dies ist der erste Beitrag einer Reihe von drei Beiträgen zum Thema digitale Gegenöffentlichkeiten.  

Trump, Brexit, die AfD: Populisten und Reaktionäre sind auf dem Vormarsch. Wichtig für ihren Erfolg: die Schaffung von Gegenöffentlichkeiten im Internet. Doch wie genau nutzen diese Kräfte digitale Medien für sich? Und ist das Internet wirklich “an allem schuld”? Ein Blick in die Forschung gibt Antworten. 

Quelle: https://www.weforum.org/projects/internet-for-all
Gerade mal wieder Schuld an Allem: Das Internet
Donald Trump, die FPÖ, die AfD und der Brexit: In vielen westlichen Demokratien scheinen rechte, nationale und reaktionäre Kräfte auf dem Vormarsch. Folgt man der öffentlichen Diskussion ist der Schuldige für diese Entwicklung schnell ausgemacht – es ist natürlich das Internet. 

Wurde selbiges früher vor allem von DenkerInnen und Bewegungen aus dem linken und liberalen Lager als Katalysator für Demokratie und Freiheit gesehen, ist die Mehrheitsmeinung heute das genaue Gegenteil: Sorgen über Social Bots, „Fake News“, Echokammern und psychologisches Microtargeting haben den Traum von besserer Vernetzung und neuen progressiven politischen Bewegungen abgelöst.

Was ist geschehen? Lagen die UtopistInnen der ersten Stunde so falsch? Während eine grundsätzliche Skepsis in Bezug auf die tatsächliche Rolle des Internets bei den angesprochenen politischen Großereignissen nötig bleibt (dazu später mehr), so lässt sich trotzdem nicht von der Hand weisen, dass das Internet ein Katalysator für politische Veränderung geworden ist. Allerdings sind es weniger progressive Kräfte, die aktuell davon profitieren. Stattdessen sind es oft insbesondere konservative und rechte Bewegungen, die das Internet als politische Plattform zur Zeit besonders erfolgreich nutzen
 

Was sind digitale Gegenöffentlichkeiten?


Einer der ersten AutorInnen, die dieses Phänomen auch theoretisch aufgegriffen hat, ist der Sozialwissenschaftler Ralph Schroeder. Schroeder, der am Oxford Internet Institute forscht und lehrt, versteht in seiner Analyse die Öffentlichkeit als Arena, welche gekennzeichnet ist durch einen limitierten Vorrat an Aufmerksamkeit (Stichwort: Attention Economy). Die wird wiederum von einigen wenigen großen Medien dominiert. Als Gatekeeper für die Arena bestimmen sie in erheblichen Maße das, was diskutiert wird. Sie setzen die Agenda.

Verschiedene politische Ideologien wiederum versuchen Zugang zur öffentlichen Arena zu bekommen. Ihr Ziel: die Agenda der Medien und somit die öffentliche Agenda zu beeinflussen. Die öffentliche Arena ist jedoch aufgrund des limitierten Vorrats an Aufmerksamkeit als Nullsummenspiel zu verstehen. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass nur einige wenige Akteure und politische Ideologien gleichzeitig in der öffentlichen Arena Platz finden können.

An dieser Stelle kommen die Gegenöffentlichkeiten ins Spiel. Das Konzept geht auf die linke Philosophin Nancy Fraser zurück und wurde ursprünglich als alternativer Diskussionsraum für marginalisierte gesellschaftliche Gruppen wie Arbeiter, Frauen oder Menschen mit Migrationserfahrung definiert. Schroeder überträgt dieses Konzept von der politischen Linken auf die politische Rechte und ins Internetzeitalter: Digitale Medien, so der Oxforder Forscher, bieten rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien eine Möglichkeit, digitale Gegenöffentlichkeiten zu erschaffen. Über diese Gegenöffentlichkeiten ist es wiederum möglich, die Gatekeeper – also traditionelle Medien – zu umgehen und sich somit letztlich einen Weg in die öffentliche Arena zu bahnen.

Screenshot
Form von Gegenöffentlichkeit: Facebookseite HC Strache (FPÖ)
Ein Beispiel für solche Gegenöffentlichkeiten sind die „alternativen Medienseiten“ der Schwedendemokraten in Schweden, oder die Pendants in Österreich und Deutschland. Auch die Facebookseiten führender FPÖ-Politiker wie Heinz-Christian Strache können als eine Form von Gegenöffentlichkeit verstanden werden. In Abgrenzung und Opposition zu den bereits in der öffentlichen Arena vertretenen Ideologien entwickeln sich auf diesen Seiten politische Gegendiskurse. Mit genug Zeit verbreiten sich diese Diskurse und finden im „Idealfall“ mittelfristig Zugang zur öffentlichen Arena. Dies liegt oft daran, dass die alternativen Seiten entweder eine so große Reichweite entwickeln, dass sie selbst zu Gatekeepern der Arena werden, oder, indem traditionelle Medien beginnen, über sie zu berichten oder die dort vertretenen Gedanken in anderer Form thematisieren – was letztlich deren Verbreitung fördert.



Vier Strategien zur digitalen Gegenöffentlichkeit


Grundsätzlich lassen sich vier Strategien identifizieren, wie eine solche digitale Gegenöffentlichkeit geschaffen werden kann:

  • Erstens kann das Internet die Abhängigkeit von traditionellen Medien reduzieren, indem es politischen Akteuren oder Parteien die Möglichkeit gibt, durch soziale Medien oder Webseiten direkt mit ihren (potenziellen) Unterstützern zu kommunizieren. So konnte die AfD beispielsweise, während der sogenannten Flüchtlingskrise 2015, ihre Unterstützer auch abseits der großen Medien durch Facebook erfolgreich erreichen und mobilisieren.  

  • Zweitens kann als hybride Strategie das Agenda Setting genannt werden, welche nur in Teilen auf Internetmedien beruht. Digitale Kanäle (zum Beispiel die oben genannten Facebookseiten der FPÖ) werden als Medium benutzt um die ursprüngliche Nachricht zu verfassen. Im Anschluss wird jedoch darauf vertraut, dass diese Nachricht von traditionellen Medien aufgegriffen wird und so ihren Weg in die öffentliche Arena und damit zu einem breiteren Publikum findet. 
     
  • Drittens können rechte Bewegungen von einer rechten Medienszene wie im Internet profitieren, welche versucht, sich als alternative Nachrichtenquelle zu etablieren (alternative Nachrichtenseiten wie unzensiert.at sind hier ein gutes Beispiel). Ähnlich wie bei den ersten beiden Strategien profitiert dieser Ansatz von den im Internet verhältnismäßig geringen Kosten, wenn es darum geht Inhalte zu publizieren. Dezentrale Verbreitungswege tun dann oft ihr Übriges.

  • Viertens können digitale Medien einen Aktionsraum für politische „bottom up“ Bewegungen darstellen, die sich ohne eine Koordination „von oben“ durch Parteien oder andere Akteure selbst organisieren. Im Prinzip handelt es sich hierbei um jene digitalen Graswurzelbewegungen, die einst von den Internetutopisten der ersten Stunden beschrieben wurden: nur eben im rechten politischen Spektrum (ein Beispiel sind rechte Gruppen auf Facebook).


Warum das Internet (trotzdem) nicht an allem schuld ist


Der Erfolg dieser Strategien ist allerdings immer auch vom Kontext abhängig. In Deutschland spielt das Internet aktuell noch eine deutlich geringere Rolle beim Nachrichtenkonsum als in den USA, während der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine sehr zentrale Stellung einnimmt. Digitale Gegenöffentlichkeiten von Rechts haben es damit zwangsläufig schwerer. Stattdessen sind reaktionäre und populistische Kräfte hierzulande noch stärker auf hybride Strategien wie das Agenda Setting angewiesen.

Zudem darf die potentielle Rolle des Internets bei politischen Großereignissen nicht überschätzt werden. Weitaus bedeutender sind immer noch strukturelle Faktoren und Langzeitentwicklungen wie zum Beispiel Globalisierungsängste, Fremdenfeindlichkeit oder Individualisierungstendenzen. In allen bekannten Beispielen von digitalen Gegenöffentlichkeiten konnten diese nur im Zusammenspiel mit diesen und anderen wesentlich wichtigeren Faktoren erfolgreich sein. Rechte digitale Gegenöffentlichkeiten haben ohne Zweifel eine nicht unbedeutende Rolle für die politische Etablierung Donald Trumps oder der AfD gespielt. Die eigentlichen Ursachen für den Erfolg dieser Akteure aber liegen tiefer und der starke Fokus der öffentlichen Diskussion auf das Internet lässt sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht halten.


Jan Rau 

Jan Philipp Rau
Jan Rau
Jan Rau beschäftigt sich mit Fragen der digitalen Transformation von Politik und Gesellschaft, sein Schwerpunkt liegt dabei auf dem digitalen Wandel medialer Öffentlichkeit. Er hat am Oxford Internet Institut und an der Universität zu Köln studiert. Aktuell arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften und an der Princeton University (USA) und forscht zu Phänomenen wie Meinungsmanipulation im Internet, Echo- Kammern, digitalen Gegenöffentlichkeiten und Rechtspopulismus. 

Website: https://janrau.com


 Felix S. Simon 
 
Felix M. Simon
Felix M. Simon ist Journalist und Kommunikationswissenschaftler. Studium in Frankfurt am Main und am Oxford Internet Institut. Aktuell wissenschaftlicher Mitarbeiter am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford und freier Journalist, unter anderem für F.A.Z., Die Welt, NZZ, sowie den Telegraph und The New European. Wissenschaftliche Publikationen u.a. in „Journalism Studies“. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Kommunikation im digitalen Zeitalter, Big Data in Politik und Unterhaltungsindustrie, sowie der Wandel von Journalismus und Medien im 21. Jahrhundert. 
Webseite:https://about.me/Felix_Simon 
Twitter:@_FelixSimon_ 
E-Mail: felixmarvinsimon [at] gmail [dot]





Agenda Setting im Internet: Rechts(außen) führt, der Rest folgt

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Dies ist Gastbeitrag von Jan Rau, wissenschaftlicher Mitarbeiter am GESIS-Leibniz Institut für Sozialwissenschaften und von Felix M. Simon, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford.  Den ersten Beitrag der beiden Autoren aus der Reihe zum Thema digitale Gegenöffentlichkeiten finden Sie hier.

Die klasssichen Medien kontrollieren als Gatekeeper noch immer weitestgehend den Zugang zur “öffentlichen Arena”. Sie setzen die Agenda, also das worüber (nicht) gesprochen wird. Doch das Internet gibt Akteuren verschiedener politischer Couleur zunehmend die Möglichkeit, digitale Gegenöffentlichkeiten zu schaffen und über diese die Agenda der Medien zu formen – und damit letztendlich auch die öffentliche Agenda zu beeinflussen.


The 'Trumpet of Amplification', Quelle: First Draft News
Oft ist es für die Medien im Umgang mit Provokateuren und Manipulatoren schwierig zu entscheiden, ob sie über ein Thema berichten sollen und es damit unweigerlich zusätzlich in den Fokus rücken. Gründe, manche Themen und Gruppen und Individuen nicht durch Berichterstattung aufzubauschen, gibt es genug. Denn bestimmte Geschichten, Gemeinschaften und problematische Akteure können durch zusätzliche Medienaufmerksamkeit schnell unabsichtlich größer und wichtiger gemacht werden, als sie es eigentlich sind.

Die Verstärkung durch die Medien riskiert auch, dass eine schleichende Normalisierung von bestimmten Ideologien eintritt und Menschen für anti-demokratische oder verfassungsfeindliche Ansichten zunehmend empfänglich werden. Es sind die berühmten "Grenzen des Sagbaren", die verschoben werden. Zuletzt laufen Medien auch Gefahr, durch ihre Berichterstattung falsche Vergleiche zu befeuern: Die Holocaustleugnung ist eben keine gleichberechtigte Perspektive.


Die Identitären oder, wenn Schweigen Gold ist.


Auch wenn es sich am Ende des Tages immer um schwierige Fragen des Abwägens handelt, gibt es klare Beispiele, in denen eine andere – oder gar keine – Berichterstattung angebracht ist. Ein Beispiel ist eine kürzlich erfolgte Aktion der rechtsrextremen Identitären Bewegung. Anhänger der Gruppierung hängten Anfang Januar an verschiedenen (Redaktions-)Gebäuden Propaganda-Poster auf, die auf vermeintlich exzessive linke Gewalt aufmerksam machen sollten. Im Prinzip handelte es sich um nichts weiter als eine simple Plakataktion. Dokumentiert wurde das Ganze auf YouTube, Twitter und der Webseite der Gruppierung – den digitalen Gegenöffentlichkeiten der Identitären.

Agenda Setting von Rechts
Screenshot YouTube "Identitäre Bewegung"

Was die Identitären mit solchen Aktionen bezwecken, bekennen sie ganz offen in ihren professionell produzierten Werbevideos. Unter “Medienarbeit“ wird hier vom Aufbau einer „Identitären Gegenöffentlichkeit gesprochen“, man wünscht sich “Beeinflussung” und der öffentliche Kopf, Martin Sellner, redet auf seiner YouTube-Seite ganz offen vom “Infokrieg“.


Agenda Setting von Rechts
Screenshot YouTube-Account Martin Sellner
Die Rechnung ging auf. Bei einigen deutschen Medien kochte die Stimmung über. Es wurde von Angriffen und Attacken auf den Journalismus und die Pressefreiheit gesprochen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk RBB nutzte von den Identitären produziertes und online verbreitetes Videomaterial in seiner Berichterstattung und auch die ZEIT verwendete von den Identitären online verbreitetes Bildmaterial. Die Aktion der Rechtsextremen wurde so – wie von diesen beabsichtigt – zu einem vollen PR-Erfolg.

Wie Medienjournalist Stefan Niggemeier an anderer Stelle bereits ausgeführt hat, wäre es bisweilen sinnvoller, wenn Medienhäuser die Finger von solchen Vorfällen ließen– oder ihre Berichterstattung etwas verhaltener ausfallen ließen. Über Gruppen wie die Identitären und ihre Aktionen weniger oder nüchterner zu berichten, tut diesen am Ende mehr weh als den Medien oder der Allgemeinheit. Dass es geht, beweist die ZEIT. In diesem 2017 über die "Bewegung" erschienen Artikel wird diese gekonnt eingeordnet, ohne sie größer zu machen, als sie ist. Gleichzeitig stellt der Artikel keine direkte Reaktion auf der PR-Aktionen der Identitären dar.


Die AfD – demokratischer Akteur oder rechtspopulistischer “Agenda-Setter”?


Ein weiterer sehr erfolgreicher Akteur im medialen Agenda Setting ist die AfD. Auch sie versucht, die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie zu nutzen und eine Themenagenda in ihrem Sinne zu setzen – was die Partei auch mehr oder weniger offen zugibt. Für die AfD spielt das Internet als Kampagneninstrument eine hervorgehobene Rolle. Zuletzt konnte man dies beim Streit um den sogenannten Migrationspakt (Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration (GCM)) im Herbst 2018 sehen. Hier nutzte die Partei intensiv ihre digitalen Kanäle, um ihre kritische Positionierung auch in traditionelle Medien hinein zu kommunizieren und durch ein erfolgreiches Framing des Paktes als Instrument der “Massenzuwanderung” den Verlauf der Debatte im wesentlichen Maße zu prägen.


Migrationspakt
Screenshot Facebook-Seite der AfD

Während sich bei der Identitären Bewegung (klar als rechtsextrem eingeordnet und wenige hundert Mitglieder) relativ einfach eine Strategie für den medialen Umgang entwerfen lässt, gestaltet sich dies im Fall der AfD wesentlich komplizierter. Die Diskussion, inwiefern die AfD als rechtspopulistisch oder gar rechtsextrem zu klassifizieren sei, wird zwar seit Jahren erbittert geführt und hat durch den Prüfbericht der Verfassungsschutzämter neuen Aufwind bekommen. Dennoch ist die Partei vorerst nur in Teilen als sog. Verdachtsfall klassifiziert und gleichzeitig demokratisch legitimiert, da sie von einem Teil der Bevölkerung unterstützt und gewählt wird. Die Anliegen der Partei, wie beispielsweise Migration, Islam und Flüchtlinge, scheinen damit wichtige Themen für diese Menschen zu sein.

Eine redaktionelle Entscheidung, die Partei oder die von ihr bearbeiteten Themen einfach gezielt aus der Berichterstattung auszuschließen, wäre dementsprechend falsch, nicht zu rechtfertigen und würde den medienkritischen Positionen der Partei und ihres Umfeldes zu Recht Aufwind geben.

Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass Teile der Partei als Verdachtsfall beim Verfassungsschutz geführt werden, in der Fachliteratur vielfach als rechtspopulistisch eingestuft wird und wesentliche Führungsfiguren völkisch-nationalistischen und verfassungsfeindlichen Strömungen zugerechnet werden. Ein bedachter und vorsichtiger medialer Umgang ist damit wichtig und angemessen und dementsprechend müssen auch im Fall der AfD die Mechanismen des Agenda Settings und ihre Konsequenzen verstanden werden.


Die AfD und die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie


Wenn Alice Weidel allzu offensichtlich gewollt eine Talkshow verlässt, dann handelt es sich hierbei um sehr erfolgreiches Agenda Setting. Denn auch wenn die Berichterstattung in den klassischen Medien kritisch ausfiel, so war sie für sich genommen ein Erfolg für die Partei. Die verfügbare Aufmerksamkeit der öffentlichen Arena ist begrenzt und umkämpft; mit Weidels Abgang hat die AfD sich diese in einem für sie positiven “Frame” (die AfD gegen die “Systempresse” und “Altparteien”) gesichert. Hier würde sich ein gelassenerer Umgang mit solch recht offensichtlichen Versuchen des Agenda Settings empfehlen.
Screenshot YouTube ZDF

Anders sieht es bei zentralen Themen der Partei aus. Die wahrgenommene Wichtigkeit von Themen in der Bevölkerung schwankt ständig und wird in einem wesentlichen Maße von der medialen Agenda mit-beeinflusst. Eine starke Berichterstattung über den Themenkomplex Flüchtlinge wird die Sichtbarkeit und damit die allgemein wahrgenommene Wichtigkeit dieses Themas steigern. Die AfD, die vom Thema Flüchtlinge (fast) nur profitieren kann (pdf.), ist sich dessen bewusst und versucht dementsprechend auch mit der Hilfe ihrer digitalen Kampagnenwerkzeuge auf die mediale Agenda zu setzen. Gleichzeitig ist das Thema aber natürlich auch tatsächlich eines der wichtigsten Streitfragen der letzten Jahre gewesen, was mit einem entsprechend berechtigten Informationsinteresse verbunden ist. 

Eine verbindliche Regel für den richtigen Umgang aufzustellen wird also nicht möglich (oder wünschenswert) sein. Stattdessen müssen Entscheidungen von Fall zu Fall getroffen werden – aber immer im Bewusstsein der oben geschilderten Agenda der Partei und dem Wissen, dass Themen durch Berichterstattung größer gemacht werden können, als sie sind – gerade im Vergleich zu anderen zentralen Themen wie sozialer Gerechtigkeit, Digitalisierung oder Klimawandel.


Herausforderungen für den modernen Journalismus


Moderner Journalismus bewegt sich in verschiedenen Spannungsfeldern. Die Vorliebe für Themen mit Neuigkeits- und Sensationswert und das Bedürfnis, am schnellsten zu sein, machen Medien anfällig für gezielte Manipulationsversuche. Gleichzeitig bringt die Berichterstattung über kontroverse Themen oft Aufmerksamkeit und Leser – es besteht also ein kommerzielles Interesse daran, zu berichten. Hinzu kommt der Grundsatz, dass man möglichst alle wichtigen Ereignisse der Zeit kritisch begleiten und gleichzeitig einer Vielzahl von Stimmen Raum einräumen will.

Das Internet und soziale Medien bieten politischen Akteuren neue Möglichkeiten, die oben ausgeführten Spannungsfelder auszunutzen, aufmerksamkeitswirksameKampagnen zu initiieren und über digitale Gegenöffentlichkeiten die Medienagenda zu beeinflussen.Der Umgang mit solchen Akteuren ist, wie sich an den obenstehenden Beispielen sehen lässt, für die Medien kompliziert.Zuletzt zeigten sich vor allem rechte Akteure recht geschickt darin, diesen Umstand auszunutzen.

Zwar gab es bei deutschen Medien zuletzt deutliche Fortschritte in dieser Hinsicht, doch jüngste Ereignisse wie der “Anschlag” der Identitären zeigen jedoch, dass immer noch Handlungsbedarf besteht.

Weitergehende konkrete Empfehlungen, wie Medien und Journalisten mit Agenda-Setting-Versuchen umgehen sollen sind schwierig. Auf den Verzicht von Berichterstattung als oftmals sinnvolle Reaktion, lässt sich durch die Abwesenheit derselben nur schwer verweisen. Ebenso lassen sich einheitliche Berichterstattungslinien nur schwer an einem konkreten Artikel festmachen.

Wichtig ist vor allem, ein Bewusstsein für diese Problemstellungen zu entwickeln und aktiv eine Strategie für den Umgang mit denselbigen zu entwerfen. Gleichzeitig sollten sich Medien auch ihrer eigenen blinden Flecken bewusst sein, und größere Transparenz walten lassen, wenn es um die eigene Themensetzung geht. Als Anregung haben wir im Anhang einige Publikationen zusammengetragen, die als erste Anlaufstelle dienen sollen und konkrete Empfehlungen aussprechen, wie Medien und Journalisten handeln können. 

Niemand sagt, dass es für die Medien leicht wäre, diesen Herausforderungen angemessen zu begegnen. Im Gegenteil. Sie erfordern ein erhebliches Umdenken und zeigen gleichzeitig die Spannungsfelder auf, in denen sich moderner Journalismus bewegt. Doch Journalismus des 21. Jahrhunderts darf diesen Spannungen nicht ausweichen, er muss sich ihnen stellen.


Schlussbemerkung 

 

Den Autoren ist bewusst, dass Agenda Setting ein Instrument aller politischen Parteien und Bewegungen ist, als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung gilt und somit der bloße Einsatz dieser Strategie einzelnen politischen Strömungen, Akteuren oder Parteien nur schwer zum Vorwurf gemacht werden kann (oder abhängig von der jeweiligen Ausformung allen zum Vorwurf gemacht werden müsste). Die Fokussierung dieses Textes auf das rechte Lager begründet sich in der oben erläuterten Nähe zum und/oder Verwurzelung im Rechtsextremismus und den damit verbundenen verfassungsfeindlichen Tendenzen. Bedenkt man ferner, dass (mit einigen prominenten Ausnahmen) besonders rechte Akteure in den letzten Jahren erfolgreich Agenda Setting über digitale Kanäle betrieben haben, wird deutlich, warum in diesem Zusammenhang kritische Aufmerksamkeit besonders wichtig und nötig ist.



Lektüre:



  • Whitney Phillips: The Oxygen of AmplificationZwischen 2016 und 2018 wurden Medien stärker als je zuvor von rechten Akteuren, Trollen und “Hate Groups” missbraucht, um ihre Meinung zu verbreiten. Und die Medien, so die Wissenschaftlerin Whitney Phillips in ihrer Studie, waren daran nicht unschuldig. Doch es gibt Wege, es besser zu machen. 
  • Rebecca Lewis & Alice Marwick: Media ManipulationWie nutzen Internet-Subkulturen, Verschwörungstheoretiker, Rassisten und andere das aktuelle Medienökosystem, um ihre Ideen zu verbreiten? Und welche Folge hat dies für Medienvertrauen und die Demokratie? Diesen und anderen Fragen gehen Lewis und Marwick in ihrer “Data & Society”-Report nach.
  • Felix M. Simon: Strategische Stille gegen ExtremistenLondons “Speaker‘s Corner“ hat sich längst in eine Plattform für Extremisten und Fanatiker verwandelt. Doch gerade deshalb hält die Bastion absoluter Meinungsfreiheit auch eine Lehre für die Medien im Umgang mit solchen Wortführern parat.
  • Bernd Gäbler: AfD und Medien: Erfahrungen und Lehren für die PraxisDie AfD und ihre Anhänger stellen eine neue Herausforderung für deutsche Medien dar, nicht zuletzt durch ihre verbalen und non-verbalen Angriffe auf die Presse. Die Otto-Brenner-Stiftung beschreibt in diesem Bericht, welche Lehren deutsche Medien aus dieser Entwicklung ziehen sollten.
  • Denise-Marie Orday/Claes H. de Vreese: Covering Populist LeadersAufbauend auf der Forschung des Politik- und Kommunikationswissenschaftler Claes de Vreese entstand diese Handreichung mit 10 Tipps für Journalisten, die über Populisten berichten.

Eine englische Version dieses Gastbeitrages gibt es drüben beim European Journalism Observatory (EJO) zu lesen.


Autoren


Jan Rau

Jan Philipp Rau
Jan Rau
Jan Rau beschäftigt sich mit Fragen der digitalen Transformation von Politik und Gesellschaft, sein Schwerpunkt liegt dabei auf dem digitalen Wandel medialer Öffentlichkeit. Er hat am Oxford Internet Institut und an der Universität zu Köln studiert. Aktuell arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften und forscht zu Phänomenen wie Meinungsmanipulation im Internet, Echo- Kammern, digitalen Gegenöffentlichkeiten und Rechtspopulismus. 
Website:https://janrau.com
Twitter: @realJanRau


 Felix S. Simon

Felix M. Simon
Felix M. Simon ist Journalist und Kommunikationswissenschaftler. Studium in Frankfurt am Main und am Oxford Internet Institut. Aktuell wissenschaftlicher Mitarbeiter am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford und freier Journalist, unter anderem für F.A.Z., Die Welt, NZZ, sowie den Telegraph und The New European. Wissenschaftliche Publikationen u.a. in „Journalism Studies“. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Kommunikation im digitalen Zeitalter, Big Data in Politik und Unterhaltungsindustrie, sowie der Wandel von Journalismus und Medien im 21. Jahrhundert. 
Webseite:https://about.me/Felix_Simon 
Twitter:@_FelixSimon_ 
E-Mail: felixmarvinsimon [at] gmail [dot]




Wahlplakate from Hell: Europawahl 2019 & Kommunalwahlen

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Der Klassiker ist zurück! 

Nachdem ich bereits im letzten Europawahlkampf 2014, bei der Hamburger und der Bremer Bürgerschaftswahl 2015, bei den Landtagswahlen im März und September 2016 sowie den Landtagswahlen 2017 und der letzten Bundestagswahl 2017 die schönsten "Wahlplakate from Hell" präsentiert habe, konnte ich eurem Wunsch nicht widerstehen und habe auch wieder zu den Europwahlen und Kommunalwahlen (26. Mai 2019) einige schöne Motive drüben bei Twitter und Facebook zusammengetragen.

Hier nun alle auf einen Blick:

 

Europawahl 


Nicola Beer, FDP

Prof. Dr. Klaus Buchner, ödp

CDU Deutschlands 


Kommunalwahlen 

 

Kommunalwahl Baden-Württemberg


Freie Wähler Hockenheim

Julien Ferrat, Mannheimer Volkspartei

Kommunalwahl Brandenburg 


Heinrich Plückelmann, SPD 

CDU Eberswalde

Britta Kornmesser & Christopher Jahn, SPD

 

Kommunalwahl Mecklenburg-Vorpommern


Bündnis 90/Die Grünen Schwerin

Kommunalwahl Niedersachsen


Burkhard Dörrier, FDP 

Sandra Röse, CDU

Kommunalwahl Rheinland-Pfalz 


SPD Kirchberg

SPD Kirchberg 

Anna Silvia Henne, SPD

Freie Wähler Mainz

 

Kommunalwahl Sachsen


Lutz Unbekannt, Bündnis 90/Die Grünen


Dana Frohwieser, SPD 

Julian Schröder, CDU Leipzig & SPD Leipzig

 

Kommunalwahl Sachsen-Anhalt 


CDU Magdeburg 

 

Kommunalwahl Saarland 


Patrick Lauer, SPD

 

 

 

#ep2019 #kommunalwahl  


Wie vertrauenswürdig sind Social-Media-Quellen aus Sicht deutscher NachrichtenjournalistInnen?

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Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Florian Wintterlin vom Institut für Kommunikationswissenschaft in Münster. Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil seiner Promotion am DFG-Graduiertenkolleg für „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“. Die veröffentlichte Version der Dissertation ist bei Nomos unter dem Titel „Quelle: Internet. Journalistisches Vertrauen bei der Recherche in sozialen Medien“ erschienen und kann hiererworben werden.

Florian Wintterlin
Buchcover: Quelle: Internet
Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, man sei JournalistIn bei einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender im Newsroom in Mainz oder Hamburg. Es ist bislang ein Tag mit weitgehend im Voraus geplanten Beiträgen, für die Hauptnachrichtensendung am Abend steht das Gerüst. Doch plötzlich kommt über den Ticker eine Nachricht rein, die Breaking News-Potential hat. Doch die Nachrichtenlage ist schwierig. Eigene Korrespondenten sind nicht vor Ort und auch Kollegen anderer Medien fehlen; offizielle Stellen geben nur spärliche Informationen heraus, um keine Falschinformationen zu verbreiten. In solchen Situationen bietet das Internet und speziell Social Media ein Reservoir an Rohmaterial, das potentiell dazu geeignet ist, dieses Informationsvakuum zu füllen.

Gleichzeitig ist die Verlockung des einfach verfügbaren Materials mit Risiken verbunden. Über die Quellen sind wenige Informationen bekannt, oftmals fehlen Vorerfahrungen mit den dahinter stehenden Personen und Institutionen. JournalistInnen befinden sich demzufolge im Dilemma, schnell zu berichten und nur wahrheitsgemäße Informationen kommunizieren zu wollen.  

In meiner Promotion habe ich mir die Frage gestellt, in welchem Umfang derartige distanzierte Quellenüberhaupt verwendet werden und wie die Vertrauenswürdigkeit der Quellen überprüft wird. Beantwortet wurden die Forschungsfragen mit einer Inhaltsanalyse der Berichterstattung über 8 Krisen (2011 bis 2015, Erhebungszeitraum: die ersten 4 Tage nach dem Ereignis) in mehr oder weniger weit entfernten Gebieten in TV-, Radio-, Print- und Onlinenachrichten, Leitfadeninterviews mit ExpertInnen für Social Media und Verifikation in 12 deutschen Nachrichtenmedien (2014-2015) und einem Survey mit 411 JournalistInnen aus Deutschland und Großbritannien (2016).

 

Wie häufig wird Social-Media-Material in der Krisenberichterstattung verwendet?


Die Inhaltsanalyse hat gezeigt, dass besonders in Online-Nachrichten Social-Media-Material sehr präsent ist. 59% der untersuchten Beiträge stützen sich zumindest teilweise auf Informationen aus Social Media. Bei Fernsehnachrichten sind es 25%, Print und Radio folgen mit 14 bzw. 10%.
Abbildung 1. Anteil der Beiträge mit Social-Media-Material


In der Befragung gaben 87% der Befragten an, zumindest selten (in mehr als einem Drittel ihrer Beiträge) Social-Media-Material zu verwenden. Twitter ist für die JournalistInnen die wichtigste Informationsquelle gefolgt von Facebook, Blogs und Youtube.
Abbildung 2. Anteil der Social-Media-Beiträge im Zeitverlauf


Im Zeitverlauf der Berichterstattung nach aktuellen Ereignissen nimmt der Anteil der Beiträge mit Social-Media-Material ab. Das ist ein erstes Indiz dafür, dass Social-Media-Material als Lückenfüller betrachtet wird und möglichst schnell durch andere Quellen ersetzt wird.

 

Wie wird die Vertrauenswürdigkeit distanzierter Quellen überprüft?


Aus den Interviews mit JournalistInnen konnte ein Modell entwickelt werden, das die Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit als Abwägung von wahrgenommenem Risiko und wahrgenommener Vertrauenswürdigkeit beschreibt.
Abbildung 3. Risikowahrnehmung und Vertrauenswürdigkeit von Quellen aus Sicht von JournalistInnen  

Danach sind es eben nicht nur Merkmale des Inhalts oder der Quelle, die entscheidend für die Verwendung des Materials in der Berichterstattung sind, sondern ebenso Kontextfaktoren wie die Relevanz des Themas der Berichterstattung und die Verfügbarkeit von Informationen anderer Quellen, die Einfluss darauf nehmen, ob JournalistInnen Social Media in ihre Berichte einbinden.
„Breaking News heißt: Du musst sofort agieren. Und das widerspricht natürlich der Verifizierung und dem ganzen Prozess.“ (öffentlich-rechtlicher Fernsehjournalist) 
Social-Media-Material, das nur zur Bebilderung oder Ergänzung anderer Informationen dient, wird oftmals ohne aufwendige Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit verwendet

Die konkreten Verifikationsstrategien waren in deutschen Redaktionen zum Zeitpunkt der Erhebung noch wenig standardisiert und bestanden weitgehend aus klassischen journalistischen Recherchetechniken, wie dieses Zitat eines Fernsehjournalisten zeigt:
 „Es geht auch einfach darum, Landkarten zu benutzen, Wetterberichte einzuholen, also ganz banale Informationen. Ob es zum Beispiel stimmen kann, dass dieser Beitrag an diesem Tag stattgefunden hat, wenn strahlender Sonnenschein ist, und es wird eine Flut angekündigt, dann kann es ja nicht hinhauen. Also, es sind oft weniger komplizierte Sachen als man immer glaubt, was so Tools angeht.“  

Dieses Zitat eines Agenturjournalisten illustriert das Vorgehen beispielhaft am Fall eines abgeschossenen Kampfjets:
„Als dieser russische Kampfjet von türkischen Streitkräften an der Grenze abgeschossen wurde, gab es in sozialen Medien ein Video zu sehen, das angeblich den abgeschossenen Jet zeigen sollte, und auch den einen Piloten. Und das ist so der Klassiker, wo wir zunächst mit sehr spitzen Fingern rangehen. Wir haben uns dann aber mehrere Videos im Internet aus verschiedenen Kameraperspektiven zu diesem Ereignis ansehen können, haben die miteinander verglichen, haben die Uniformen überprüft, haben die Aufschriften auf der Maschine gegenrecherchiert – und kamen dann eben zu dem Ergebnis: Ja, diese Videos sind tatsächlich authentisch.“
Abbildung 4. Strategien zur Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit distanzierter Quellen
Avancierte Strategien wie die technische Verifikation oder die crowd verification, bei der das Netzwerkpotential von Social Media genutzt wird und unverifiziertes Material veröffentlicht wird, um Kollegen und Follower an Verifikationsprozess teilhaben zu lassen, werden eher selten verwendet.

Der Umgang mit Restunsicherheit


Trotz aller Verifikationsbemühungen bleiben oftmals Zweifel an der Authentizität des Materials. Im Regelfall wird diese Unsicherheit mit Hinweisen auf die Vertrauenswürdigkeit des Materials an die RezipientInnen weitergegeben.
Abbildung 5. Kommunikation von Unsicherheit bei Social-Media-Material

Nach den Ergebnissen der Inhaltsanalyse geschieht das bei nicht-professionellen Quellen, die nicht berufsbedingt mit Medien zu tun haben, in einem Viertel der Fälle. Auch in den Leitfadeninterviews gab es einen großen Konsens über diese Vorgehensweise. Einzelne JournalistInnen wenden sich jedoch gegen diese Art des Umgangs mit Unsicherheit.
„Ich finde, dass dieser Satz ‚Wir konnten die Quellen nicht überprüfen, sie sind nicht von uns, sie sind uns unbekannt‘, dass dieser Satz total bekloppt ist. Entweder habe ich genug getan, dass ich sage: Das sende ich. [...] Oder aber ich sage: Ich kann nichts kontrollieren, dann zeige ich es auch nicht.“

Generell zeigen alle drei Studien, dass die Unsicherheit der JournalistInnen beim Umgang mit Social-Media-Material hoch ist und durch die Geschwindigkeit der Berichterstattung noch potenziert wird. Wie darauf reagiert wird, ist aber entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Journalismus.
„Wir müssen uns frei machen von diesem Druck, wir müssen im Zweifel aber eben auch offen erklären, warum wir jetzt langsamer sind, weil wir eben sagen: Uns reicht es nicht, einen Tweet zu retweeten.“ (Agenturjournalist) 

Erste Ergebnisse anderer Studien zeigen, dass auch bei RezipientInnen der Leitsatz „be first, but first be right“ nach wie vor unterstützt wird.



Autor: 

Dr. Florian Wintterlin
Dr. Florian Wintterlin wurde an der Universität Münster in Kommunikationswissenschaften promoviert. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Vertrauen im Journalismus, journalistischer Verifikation, nutzergenerierten Inhalten und Desinformationen online. 

Twitter: @Flo_Wintt



 

Wahlplakate from Hell: Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen & Thüringen 2019

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Der Klassiker ist zurück! 

Nachdem ich imEuropawahlkampf 2014, bei der Hamburger und der Bremer Bürgerschaftswahl 2015, bei den Landtagswahlen im März und September 2016 sowie den Landtagswahlen 2017, der letzten Bundestagswahl 2017 und bei den Europa- und Kommunalwahlen 2019 die schönsten "Wahlplakate from Hell" präsentiert habe, konnte ich eurem Wunsch nicht widerstehen und habe auch wieder zu den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen (01.September 2019) und Thüringen (27. Oktober 2019) einige schöne Motive drüben bei Twitter und Facebook zusammengetragen.

Hier nun alle auf einen Blick:

 

Landtagswahl Brandenburg


Roger Pautz, CDU

Ingo Senftleben, CDU

Gabriele Theiss, SPD

Gabriele Theiss, SPD

Heike Heise-Heiland, Die LINKE

Andreas Koska, Bündnis 90/Die Grünen

Franz Wiese, AfD
 
Marianne Spring-Räumschüssel, AfD

Norbert Langerwisch, BVB/Freie Wähler Brandenburg

Marcel Respa, parteilos

Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg

SPD Brandenburg

FDP Brandenburg 

Die Humanisten Sachsen

BVB/Freie Wähler Brandenburg

BVB /Freie Wähler Brandenburg

AfD Schönwalde-Glien

 

Landtagswahl Sachsen 


Dirk Panter, SPD

Dirk Panter, SPD

Andreas Hofmann, Freie Wähler Sachsen

FDP Sachsen

Die LINKE Sachsen

SPD Sachsen (Hanka Kliese, Jörg Vieweg, Jürgen Renz)

Die PARTEI Sachsen

BüSo Sachsen
 
ödp Sachsen

Blaue Wende Sachsen

Blaue Wende Sachsen

AfD Sachsen

Landtagswahl Thüringen 


Thomas L. Kemmerich, FDP 




Der große Politiker*innen-Podcast-Test: Wer podcastet in der deutschen Politik?

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Podcasts boomen. Gefühlt vergeht seit einigen Jahren kein Tag an dem nicht irgendein Prominenter, eine Lokalzeitung, ein Verband, eine Wahlkämpfer*in oder ein Unternehmen mit einem neuen heißen Podcast-Projekt startet. Die Szene ist dank des Booms etwas unübersichtlich geworden. Und auch die Hörerschaft ist breiter geworden. 

Quelle: BITKOM research, 2019
Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbandes BITKOM hört im Jahr 2019 jeder fünfte Deutsche Podcasts.

Ähnliche Zahlen liefert der  Online-Audio-Monitor 2019 im Auftrag der Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und von VAUNET – Verband Privater Medien. Rund 44 Millionen Menschen in Deutschland hören laut des Monitors Online-Audio-Inhalte – drei Millionen mehr als noch im Jahr 2018.

Eine der stärksten Zuwachsraten verzeichnen laut der Studie mit 3,4 Prozent Podcasts, die nun von gut 17 Prozent der Deutschen genutzt werden. Unter den meistgehörten Inhalten befinden sich Nachrichten, sowie lokale und regionale Informationen. 

Als Grund für die steigende Nutzung werden die hohe Verbreitung von Smartphones und höhere Datenvolumen genannt. 

Diese Veränderung des Kommunikationsverhaltens ist natürlich auch in der Politik angekommen. Podcasts über Politik gibt es inzwischen auch wie Sand am Meer. Sogar ich habe mich 2017 schon an einen probiert ;)  Eine recht gute Übersicht gibts drüben bei der Campaigning Academy Berlin.

Aber welche Politiker*innen podcasten denn eigentlich in Deutschand? Und wie gut sind diese Podcasts? Die Fragen hat bisher noch niemand beantwortet. Es fehlt bisher eine Übersicht podcastender Politiker*innen. Deshalb haben Finn Lasse Andresen und ich angefangen zu recherchieren, haben alle Podcasts zusammengetragen die wir auf den unzähligen Plattformen und Webseiten finden konnten, haben alle Podcasts einmal durchgehört (sic!) und haben diese hier einem (natürlich sehr subjektiven) Test unterzogen.  

Followerpower: Sollten wir einen aktiven Podcast übersehen haben, freuen wir uns über jeden Hinweis, die Liste wird dann selbstverständlich ergänzt. (Stand Mitte September 2019)

Wir haben uns im ersten Schritt nur auf deutsche Politiker*innen aus dem Europaparlament, dem Bundestag und den 16 Landesparlamenten fokussiert, ggf. ergänzen wir die Liste noch mit einer Übersicht der Podcasts aus der Kommunalpolitik, aus Parteien, Fraktionen und aus Regierungen. Aber dazu brauchen wir dann wohl wieder einige längere ICE-Fahrten ;)

Hier nun unser großer Politik-Podcast-Test:


Landesparlamente

 
MdL Valentin Lippmann (Bündnis 90/Die Grünen), Sachsen

Name:„Zwischenruf – der grüne Politikpodcast aus Sachsen“

Länge:20-40 Minuten  

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: 
Auf der eigenen Webseite, bei Apple Podcast, Google Podcast, Podcast.de und auf Spotify.

Format: Interview zwischen der studentischen Mitarbeiterin Lisa Stein und dem grüne Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann.

Turnus/Regelmäßigkeit:2-3 mal monatlich 

Was gelernt?: Lippmanns Haltung zu Prof. Werner Patzelts Vermischung von Wissenschaft und Politik. 

Bewertung: Ein richtiger Podcast!
Valentin Lippmann wird zumeist von Lisa Stein (studentische Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro) zu aktuellen politischen Themen befragt. Die Fragen wirken leider etwas vorgefertigt und werden gescripted zu sehr runtergerattert. Es gibt defnitiv spannende Themen und einige gute Ansätze, aber ein bisschen mehr Improvisation und Lebendigkeit würde dem Hörvergnügen guttun. Inhaltlich dreht es sich vorallem um bundespolitische Themen wie Digitalpakt, die Enteignungsdebatte und Themen, die den öffentlichen Diskurs prägen. Aber auch um im Wahlkreis relevante Themen.



MdL Andrea Stullich (CDU), Nordrhein-Westfalen

Name:„Anhörung – der Landtags-Podcast"

Länge:15 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird:
Auf der eigenen Webseite, bei Apple Podcast, Google Podcast, Podcast.de und auf Spotify.

Format: Monolog und Interview-Einspielungen mit Politiker*innen. 

Turnus/Regelmäßigkeit:ca. aller 2 Monate. 

Was gelernt?: Konfliktlinie zwischen SPD und CDU bzgl. der Bedürftigkeitsprüfung.
Sie fasst zusammen welche politischen Themen in den letzten Wochen behandelt wurden.
 
Bewertung:
Der Podcast klingt ein bisschen nach einer professionellen Radioproduktion. Nicht verwunderlich, vor dem Mandat war Andrea Stullich Radiomoderatorin- und redakteurin. Beim Hören denkt man unwillkürlich an das Vorlesen einer Radio-Nachrichtensendung beim NDR, bei der zwischendurch zu einem Außenreporter geschaltet wird. Auch hier fehlt es uns an Lebendigkeit. Ein direktes, nicht ganz so langatmiges Gespräch würde diesen Podcast viel attraktiver machen. Insgesamt ist der Podcast sehr formell gehalten, ohne überraschende Gesprächsentwicklung.




MdL Aminata Touré // Lasse Petersdotter (Bündnis 90/Die Grünen, Schleswig-Holstein)

Podcast Das nehm ich mal mit
Name:„Das nehme ich mal mit“ 

Länge:29 - 39 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird:
Auf der eigenen Webseite (Petersdotter), bei Apple Podcast  und auf Spotify.

Format: Dialog, Aminata Touré und Lasse Petersdotter stellen sich gegenseitig Fragen und diskutieren meist über die aktuelle Landespolitik. Häufig mit Gästen. 

Turnus/Regelmäßigkeit: Wöchentliche Veröffentlichung (6 Folgen seit dem Launch des Podcasts am 26.07.2019) 

Was gelernt?: Lebendige Einblicke in den Landtagsalltag und aktuelle ungefilterte ganz praktische Wahlkampferfahrungen in Sachsen. 

Bewertung: Die beiden Landtagspolitiker Aminata Touré und Lasse Petersdotter sprechen über ihre Erfahrungen in der Landespolitik und ordnen diese im Podcast schnoddrig aber extrem hörbar ein. Ein entspanntes und lockeres Gespräch unter Freunden. Dabei geht es manchmal etwas unstrukturiert durcheinander. Aber definitiv kein Nerd-Sprech, sondern klare Kante und verständlich. Die beiden haben in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass sie verstanden haben wie man das Internet für die politische Kommunikation richtig nutzt, indem sie Social-Media-Profile aufgebaut haben, die man wohl zu den interessantesten im politischen Bereich zählen kann. Reinhören lohnt definitiv. Spannend!


MdL Jan Löffler (CDU), Sachsen

Name:Jan Löffler MdL - Auf dem Weg zur Wahl 

Länge: 17-26 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird:SoundCloud und auf der eigenen Webseite 

Format: MdL Jan Löffler (CDU) & Politikwissenschaftler Felix Tröltzsch. Vorstellung der Arbeit eines Landtagsabgeordneten und des politischen Systems.

Turnus/Regelmäßigkeit: 4 Episoden bis zur Sächsischen Landtagswahl im September 2019 

Was gelernt?: Wie funktioniert der Landtag, was macht ein Landtagsabgeordneter und 
welche Podcasts hört er selber.  

Bewertung: Sympathisches Dialogformat. Klassisches Frage - Antwort-Ding. Die 
Landeszentrale für politische Bildung wäre stolz über den Informationsgehalt und Dichte 
der politischen Informationen. Leider insgesamt etwas hölzern und sehr formelhafter 
Politikersprech. Die Gäste lockern extrem auf, so sind z.B. (Ex-)Kollege MdL a.D. Sebastian Fischer (CDU)
und der Sprecher der CDU-Fraktion im Sächischen Landtag Christian Fischer dabei, sowie 
einige aktuelle Praktikant*innen. 


MdL Sebastian Fischer (CDU), Sachsen 
(Landtagsabgeordneter bis Oktober 2019, Sebastian Fischer hat bei der letzten sächsischen Landtagswahl sein Mandat verloren)

Name:Horsche ma’ her  

Länge: 36-40 Minuten (Optimale Länge 42 Minuten ;))  

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite.

Format: MdL Sebastian Fischer (CDU) unterhält sich mit verschiedenen Gästen aus Sachsen und der Welt jeweils monothematisch u.a. über das Reisen, Wein, Kontraste, die AfD und in einer Sonderfolge mit seiner Schwalbe über das Mopedfahren.

Turnus/Regelmäßigkeit: unregelmäßig, aber mindestens bisher 1 Folge/Monat.

Was gelernt?: Wie wichtig eine Schwalbe für einen sächsischen Jugendlichen ist und wie Heimat schmeckt. Der Podcast ermöglicht den Zuhörer*innen einen Blick über die Schulter des Abgeordneten, der wiederum spannenden und nach eigener Aussage zu leisen sächsischen Stimmen mit dem Podcast eine Plattform bieten will.

Bewertung: So sollte sich wohl ein spannender politischer Podcast anhören. Ungekünstelt und ohne Drehbuch sprechen zwei Personen miteinander über ihr Herzensthema. Jede Folge ist eine Wundertüte, da man nicht weiß was man erhält - aber in fast jeder Folge nimmt man Gedanken, Ideen und Einsichten aus Sachsen mit. Der Podcast gibt einen breiten und nicht unkritischen Einblick in den Freistaat Sachsen, der aber einen bunteres Bild des Bundeslandes zeigt als die medial vermittelten Berichte der letzten Jahre.



MdL Martin Dulig (SPD), Sachsen

Nachdenen über...Name:Nachdenken über...

Länge: 44-70 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der Webseite der SPD Sachsen, sowie bei YouTube, Apple Podcast, Podtail und auf Spotify. 

Format: Der sächsische SPD-Vorsitzende traf im Landtagswahlkampf 2019 Persönlichkeiten aus Kunst & Kultur, um mit ihnen laut und länger über die Megathemen wie Glück, Ostdeutschland und Stand/Land nachzudenken. Mit dabei, die Fotografin Judith Döker, die Autoren Lukas Rietzschel & Ingo Schulze und Schauspieler Harald Krassnitzer.

Turnus/Regelmäßigkeit: 4 Episoden im August 2019 bis zum Wahltag der Sächsischen Landtagswahl. 

Was gelernt?: Warum Tatort-Kommissar Harald Krassnitzer ein wachechter Sozialdemokrat ist und
die westdeutsch geprägte SPD den Osten viel zu lange vernachlässigt hat.  

Bewertung:Nachdenken in der Politik ist immer gut. Und wenn man es so galant und smart moderieren kann, wie Martin Dulig, fragt man sich ob bei ihm nicht ein TV-Talker verloren gegangen ist. Das Format errinnert sehr stark an den Podcast von Katarina Barley - was aber nicht schlimm ist. Gut hörbar, sehr dicht, sehr viele Impulse, Zeit und Raum zum Ausreden - man erfährt allerdings wenig über die Positionen & Visionen von Martin Dulig. Da der Podcast leider bisher nur im Wahlkampf produziert wurde, würde man sich freuen, wenn Dulig auch nach der Regierungs- und Koaltionsbildung weiter laut nachdenkt, gerne auch mit schlauen Menschen aus anderen Bereichen des Gesellschhaft.
 

MdL René Schneider (SPD), Nordrhein-Westfalen
 
Name: René Schneider - der Politiker

Länge: 7-12 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Bei Apple Podcast, Google Podcast, Podigee und Spotify. 

Format: René Schneider teilt seine Ideen, Positionen, Aktionen & Gedanken - pro Podcast zu einem aktuellen Thema.

Turnus/Regelmäßigkeit: Seit November 2018 bisher 6 Folgen, unregelmäßig.

Was gelernt?: Was bewegt den Landtagsabgeordneten, warum hat er Facebook & Twitter vom Handy gelöscht. Und warum es so wichtig ist, seinem Sohn beim Frühstück zuzuhören. 

Bewertung: Unterhaltsame durchaus selbstkritische Gedanken in der Sprache eines normalen Ruhrpottlers, bei der ab und zu auch das S-Wort fällt. Jeder kann teilhaben an der Entscheidungsfindung und seine eigenen Gedanken als Kommentar einbringen. Groß! 



MdL Hans Urban (Bündnis 90/Die Grünen), Bayern

Land & Landtag
Name: Land und Landtag 

Länge: 1-2 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: 
Auf der eigenen Webseite und bei Apple Podcast, YouTube, podcast.de und Spotify. 

Format: Einsprechen kurzer vorbereiteter pointierter Sketche zu einem landespolitischen Thema - meist mit konkreter grüner Kritik an der Staatsregierung.

Turnus/Regelmäßigkeit: 1 mal monatlich. 

Was gelernt?: Das Bayrisch als Norddeutscher wahnsinnig schwer zu verstehen ist. 

Bewertung: Kurzes Vortragen von humorvollen Betrachtungen des Landtagsabgeordneten, allerdings fast völlig ohne Informationsgehalt - wenn man nicht gerade sehr tief im Thema drin steckt und auf der Suche nach Kritik an der Regierung ist. Was der Landtagsabgeordnete da eigentlich sagen möchte, bleibt ein bisschen im Verborgenen, zumindest für Norddeutsche. Aber die sind vielleicht auch überhaupt nicht seine Zielgruppe ;)


MdLAlex Maier (Bündnis 90/Die Grünen), Baden-Württemberg 

Alex on air
Name: Alex on air

Länge: 2-4 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird:
Auf der eigenen Webseite und YouTube.

Format: Nachrichten-ähnliche Aufsager.

Turnus/Regelmäßigkeit: meist 1x monatlich.

Was gelernt? Warum Alex Maier die Initiative “Sicherer Hafen” in Göppingen unterstützt.

Bewertung: Dieses Format ist eher eine mit Meinung versehene YouTube-Nachrichtensendung als ein Podcast, was auch daran liegen mag, dass Maier eine eigene Nachrichtensendung bei einem Lokalradio hat. Themenbezogen referiert der Abgeordnete über aktuelle landespolitische Themen im und außerhalb des Landtages. Der Kürze geschuldet leider nur mit geringem Informationsgehalt und Mehrwert. Eher vergleichbar mit dem Format der themenbezogenen “Instagram Stories” von beispielsweise Aminata Touré und Lasse Petersdotter.


MdA Raed Saleh (SPD), Berlin
  
„Ich hab da mal ne Frage..."
Name:Ich hab da mal ne Frage..." 

Länge:5-14 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: 
Auf der eigenen Webseite sowie bei Apple Podcast, Castbox.fm und Spotify. 

Format: Interviews mit bekannten und unbekannteren Bürger*innen Berlins.

Turnus/Regelmäßigkeit: 2 mal monatlich (bisher 25 Folgen). 

Was gelernt?: Viel über das Leben in Berlin und Geschichten von der Rabbinerin bis zum TV-Moderator.

Bewertung: Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh schnackt sich durch Berlin. Nach seinem Kinder-Motto „Ich hab da mal ne Frage...“ trifft er u.a. eine Busfahrerin, eine Physiotherapeutin, Politiker*innen wie Manuela Schwesig oder Journalist*innen und interviewt diese, um etwas aus deren Alltag zu erfahren. Dieser Podcast ist hauptsächlch für ihn interessant, weil er die Erfahrungen der Bürger*innen mit in seine politische Arbeit mit einfließen lassen kann. Für politisch Interessierte Menschen hat dieser Podcast wenig Mehrwert. 



MdHB Hauke Wagner (SPD), Hamburg

Hauke & Leif
Name: Hauke & Leif (Hauke Wagner & Leif Neugebohrn Podcast) 

Länge: 30-45 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird:  
Bei Apple Podcast, Player.fm und Spotify. 

Format: Der Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete & der Politik- & Kommunikationsberater Leif Neugebohrn diskutieren über aktuelle Themen aus den Bereichen digitale Kommunikation, Strategie & Politik - meist mit Fokus auf die SPD.

Turnus/Regelmäßigkeit: regelmäßig, bisher 27 Folgen.

Was gelernt?: Wie Sozis niveauvoll miteinander streiten und man am Ende auch als Expert*in immer noch was dabei lernt.

Bewertung:Wer sich für Kampagnen, Agenda Setting, Kommunikationsstrategien und die Rettung der SPD interessiert wird hier in jeder Folge fündig. Etwas nerdig, sehr fachmännisch aber schnoddrig genug um den Gedanken bis zum Ende der Folge zu folgen. Der Podcast lebt davon dass Hauke Wagner selber Abgeordneter ist, aber nur noch bis 2020, dann wird er die Hamburgische Bürgerschaft verlassen - dann werden sich “nur” noch zwei Kommunikationsberater miteinander unterhalten ;).


MdL Katharina Schulze (Bündnis90/Die Grünen), Bayern 

Kathas Landtagsgespräch
Name: Kathas Landtagsgespräch

Länge:30-45 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite und u.a. auf Apple Podcast, Podtail, podcast.de, Player.fm, fyyd und Castbox.fm. 

Format: Interview und Berichterstattung über die Abläufe und Happenings im Bayerischen Landtag - gemeinsam mit dem grünen Web-Entwickler Tobias Hößl.

Turnus/Regelmäßigkeit: 6 Folgen (bis 12/2014).

Was gelernt?: Alltag im Landtag, und der ewige Streit mit der CSU. 

Bewertung: Auch beim Thema Podcast war Katharina Schulze eine der digitalen Pionier*innen in der deutschen Politik. Bereits vor fünf Jahren startete und endete sie mit dem Projekt. Gewohnt gut gelaunt und frei spricht Katharina Schulze über die Oppositionsarbeit im Bayerischen Landtag. Frei heraus, kein Blatt vor den Mund nehmend sprichtsie sich den oppositionellen Frust von der Seele. Lehrreich!
Aber warum endete der Podcast so abrupt? In Zeiten, in denen sich der CSU-Chef als der Erfinder des Umweltschutzes inszeniert und auch die CSU die Podcast-Welt erobert, wäre jetzt velleicht der richtige Zeitpunkt, um als bayerische Oppositionsführerin wieder einzusteigen?



Bundestag



MdB Andreas Steier (CDU), Rheinland-Pfalz
  
STEIER LIVE
Name: STEIER LIVE 

Länge: 9-17 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite und auf hearthis.at 
Apple Podcast und soundcloud.

Format: Interviews zwischen dem Bundestagsabgeordneten und Persönlichkeiten aus Trier und Trier-Saarburg über diese Gegend. 

Turnus/Regelmäßigkeit: 2-mal monatlich (seit März 2019).

Was gelernt?: Wie eine Aufwertung des Handwerks erreicht werden kann.

Bewertung: Lokal ist Trumpf. Der Wahlkres steht im Mittelpunkt dieses Podcasts.
Wenn man nicht gerade ein Trier´scher-Patriot ist, und dort aufgewachsen ist, hat dieser Podcast keinen direkten Mehrwert für politisch Interessierte aus dem Rest der Republik. Die Gespräche sind locker produziert und man hat den Eindruck das man am Tisch mit dem Abgeordneten und seiner/m Gesprächspartner*in dabei (mit einem Wein) sitzt.


MdB Andrea Nahles(SPD), Rheinland-Pfalz 
Ausgesprochen. Nahles

Name:Ausgesprochen. Nahles 

Länge:28 - 49 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite sowie auf Spotify, Apple Podcast, Stitcher und soundcloud.

Format: Die ehemalige SPD-Parteivorsitzende sprach von Februar bis Mai 2019 mit Persönlichkeiten über die großen Fragen unserer Zeit, über das was sie und viele in unserem Land auch jenseits tagesaktueller Fragen bewegt. Unter anderem waren Ferda Ataman, Julie Zeh und Schauspieler Hannes Jaenicke zu Gast. 

Turnus/Regelmäßigkeit: Bis Mai 2019 fünf regelmäßige Folgen.

Was gelernt?: Wie die Parteivorsitzende neben der Politik ihr Familienleben organisiert und welche großen Gedanken und Fragen sie neben der stressigen Tagespolitik beweg(t)en.

Bewertung: Hochwertige intellektuelle Gespräche auf Deutschlandfunk Kultur-Niveau mit einigen der klügsten Köpfe Deutschlands. Den Ideen und Gedanken wird genügend Zeit gegeben, ausgeruhter Austausch zu den großen Themen, Digitalisierung, Freiheit, Klimaschutz und Zukunft der Demokratie. Die ein oder andere Folge könnte etwas kompakter und kürzer sein. Leider wird der Podcast augenscheinlich nach dem Rücktritt von Andrea Nahles nicht weitergeführt. Vielleicht übernehmen die neuen Parteivorsitzenden?
     


MdB Christian Lindner (FDP), Nordrhein-Westfalen
  
“1 Thema, 2 Farben”
Name: “1 Thema, 2 Farben” 

Länge: 36-80 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der FDP-Bundestagsfraktions-Webseite und auf YouTube, Deezer, Spotify, Podigee, Apple Podcast und podtail. 

Format: Interview in Form einer Debatte mit Persönlichkeiten, die oft nicht der selben Meinung wie FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner sind. Zu Gast waren u.a. Luisa Neubauer, Doro Bär, Dietmar Bartsch und Jens Spahn.

Turnus/Regelmäßigkeit: 1-2 Mal pro Monat.

Was gelernt?: Verschiedene Sichtweisen beispielsweise in den Themenfeldern Gesundheitspolitik, Klimafragen und Digitalisierung. Und wie mögliche Kompromisse über Partei- und Idelogiegrenzen hinweg aussehen könnten.

Bewertung:Comeback des schwarz-weiß Fernsehens! ;)
Ein angenehmes Dialog-Format mit wahnsinnig hohem Informationsgehalt.
Christian Lindner und seine Gäste versuchen den Standpunkt des Anderen zu verstehen und herauszufinden wie mögliche Kompromisse zum oft ähnlichen Ziel aussehen könnten. Unaufgeregtes, gut strukturiertes und freies Gespräch. Extrem lehrreich und hörbar. Wohl einer der besten politischen Podcasts in Deutschand.


MdB Petra Sitte (Linke), Sachsen-Anhalt

In Berlin und Halle dabei
Name:In Berlin und Halle dabei 

Länge:42 Sekunden - 33 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite und auf soundcloud.

Format:Es gibt sowohl Hörfassungen der geschriebenen Monats-Kolumne als auch Gesprächspodcasts mit jungen Politikerinnen aus der Kommunalpolitik. Im Advent 2018 wurde zudem jeden Tag ein Podcast-Türchen geöffnet in dem Dr. Petra Sitte das politische Jahr kurz Revue passieren lässt.

Turnus/Regelmäßigkeit: seit 2016 regelmäßige Folgen, mindestens jeden Monat eine. 

Was gelernt?: Wie Frauen Politik machen, was sie antreibt und wie sie sich vor dem Mikro vernetzen.

Bewertung: Die Hörfassungen der Monats-Kolumnen sind eine großartige barrierefreie Aufbereitung der Texte von der Webseite. Der Ton ist allerdings zu monoton, die Themen hingegen divers, im Fokus stehen aber meist die inhaltlichen Schwerpunkte der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion und Wissenschafts- und Netzpolitikerin. Die Gesprächs-Podcasts sind hingegen lebendiger und geben einen guten Eindruck in das Wirken von engagierten Politikerinnen. 


MdB Stephan Kühn (Grüne), Sachsen

Verkehrswende Podcast
Name: Verkehrswende Podcast

Länge: 15-20 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite und bei podcast.de sowie auf Spotify. 


Format: Dialog, mit eingeladenen Expert*innen.

Turnus/Regelmäßigkeit: 1x monatlich

Was gelernt?: Lösungen und Ideen zur grünen Mobilitätswende. Komplexität der Datenerhebung beim autonomen Fahren.

Bewertung:Im Fokus des Podcasts des verkehrspolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Stephan Kühn stehen natürlich die Zukunft der Mobilität, der öffentliche Nahverkehr und die Deutsche Bahn. Klassisches Frage-Antwort Ding, bei dem leider kein wirklich fließendes Gespräch zustande kommt. Aufgrund der starken Verkehrs-Bezogenenheit ist der Podcast nicht für die breite Masse gemacht. Thema unter anderem: Wem gehören eigentlich die Daten, die beim Autonomen Fahren erhoben werden?



MdB Stefan Liebich (Linke), Berlin

Stefan Liebich im Gespräch
Name: Stefan Liebich im Gespräch 

Länge: 6 - 24 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Bei Apple Podcast,podcast.de sowie auf Spotify. 

Format: Gesprächsreihe über feministische Außenpolitik.

Turnus/Regelmäßigkeit: unregelmäßig, seit August 2018 bisher 6 Folgen.
 
Was gelernt?: Wie in den verschiedenen Fraktionen und Parteien mit Feminismus umgegangen wird.

Bewertung: Stefan Liebich ist außenpolitischer Sprecher der Linksfrakton im Deutschen Bundestag. In dieser Funktion spricht er beispielsweise mit MdB Gyde Jensen (FDP) und MEP Terry Reintke (Bündnis90/Die Grünen) über feministische Entwicklungen in den Parteien und darüber was feministische Außenpolitik eigentlich ist. Spannendes und offenes Format, mit ehrlichen Gästen die offen die Problematiken mit den "alten weißen Männern" in ihren Fraktionen und Parteien ansprechen. Angenehme Gesprächsgestaltung und kein Stakkato-artiges abhaken von Fragen, sondern die Möglichkeiten zur ausführlichen Antwort.


MdB Hilde Mattheis & (Dierk Hirschel) (SPD), Baden-Württemberg

Poltik mit LinksName: Politik mit Links 

Länge: 31 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Spotify

Format: Im Gespräch (mit einer unbekannten Stimme) stellen sich MdB Hilde Mattheis und Dierk Hirschel als Kandidat*innen-Duo für den SPD-Parteivorsitz vor. Der Podcast entstand auf Anregung des Politik-Podcasts Lage der Nation. 

Turnus/Regelmäßigkeit: Bisher nur eine Folge.

Was gelernt?: Was versteht das Duo unter sozialdemokratischer Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik und wie sie diese Themen wieder stärker in die Debatte der Partei tragen möchte.  

Bewertung: Auch wenn es eigentich ein Podcast des Duos ist, wird im Podcast-Vorschaubild interessanterweise nur Hilde Mattheis gezeigt. In der guten halben Stunde werden die zentralen Positionen des linken Flügels der SPD breit dargestellt und diskutiert - nur unterbrochen von ganz schnöder kapitalistischer Werbung bei Nutzer*innen die kein Spotify-Premium haben. Hörenswert für alle SPD-Mitglieder die "links blinken" und die die Kandidat*innen auch mal lachen hören wollen. Aber eigentich ist die Lage viel zu Ernst für Gags, sehr ernsthafter Podcast ohne Showeffekt.    


MdB Claudia Moll(SPD), Nordrhein-Westfalen

MollamMontag
Name: MollAmMontag

Länge: 26 Minuten. 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite, sowie aufYouTube, Spotify, Podigee und Deezer. 

Format: Dialog, klassisches Gespräch.

Turnus/Regelmäßigkeit: Erste und einzige Folge, am 14.10.2019 veröffentlicht.

Was gelernt?: Wie wenig die politischen Änderungen Auswirkungen auf den Alltag der Pflegkräfte haben und warum Lars Klingbeil von Kritikern des Vorsitzenden-Prozesses genervt ist.

Bewertung: Passend zum Thema Pflege: Das Neugeborene unter den Podcasts!
Heute (14.10.) ist die erste Folge des Podcast „MollAmMontag“ veröffentlicht worden.
Frei und offen sprechen die examierte Altenpflegerin Claudia Moll und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil darüber wie sie in die Politik gekommen sind, Herausforderungen in der Pflege und den Prozess um den SPD Parteivorsitz. Angenehm unstrukturiert schnacken zwei Menschen über Politik. Keine Floskeln. Kein Gekünsrtl. Sehr authentisch. 
Wir sind gespannt wer und was da noch so kommt. ;) 


MdB Dr. Christoph Ploß (CDU), Hamburg

Auf einen Espresso mit...
Name:Christoph Ploß auf einen Espresso mit... 

Länge: 5-9 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: YouTube 

Format: Gespräche mit prominenten Fachpolitiker*innen meist aus der CDU/CSU und Gästen außerhalb der Politik wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr oder dem Chefredakteur des Hamburger Abendblattes Lars Haider. Eigentlich kein richtger Podcast, sondern ein Vodcast - auch wenn Christoph Ploß ihn so nennt. 

Turnus/Regelmäßigkeit:Stoßartiger Upload vor 6 Monaten

Was gelernt?: Auswirkungen der Energiewende auf die Hamburger Energiebranche. 

Bewertung: Das klassische Frage-Antwort Ding. Die Interviews wirken alle etwas hölzern, gekünzelt und zu vorbereitet, sodass leider kein echtes Gespräch entsteht. Ansonsten spannende Themen und namenhafte Gäste aus Politik und Wirtschaft. Format ist eher ein Vod- als ein Podcast und er ist dementsprechend nur auf YouTube zu finden. Warum er trotzdem Podcast heißt, weiß wahrscheinlich nur der Espresso von Christoph Ploß ;) 


MdB Tino Sorge (CDU), Sachsen-Anhalt 

Name: Tino Sorge

Länge: 1-3 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: YouTube 

Format: Eigentlich kein richtiger Podcast, eher ein Vodcast da die Folgen als Video produziert sind. MdB Tino Sorge nennt das Format aber selber Podcast. Meistens steht er vor der Kamera und gibt kurz Einblick in das politische Geschehen der letzten Tage.

Turnus/Regelmäßigkeit: seit 2014 unregelmäßige Folgen, bisher insgesamt 15 Folgen.

Was gelernt?: Warum man sich auch an heißen Tagen impfen lassen sollte. Und neben den Inhalten bekommt man in den Videos auch einen Einblick in die verschiedenen Ecken der Bundestagsgebäude.

Bewertung: Kurze Aufsager in Form einer gesprochenen Pressemitteilung. Dabei ist sowohl der Informations- als auch der Unterhaltungswert nicht sehr hoch. Man fragt sich wer die Zielgruppe der Videos ist? Leute die mehr wissen wollen, erfahren nicht wo. Und bei Bürger*innen die wenig Interesse an Politik haben, wecken die sehr unregelmäßig veröffentlichten Videos wohl leider auch nur wenig Interesse. Schade, hier wird Potential verschenkt.


MdB Frank Heinrich (CDU), Sachsen 

Name:Frank Heinrich

Länge:2-3 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite& auf YouTube. 

Format: Eigentlich kein richtiger Podcast, eher ein Vodcast da die Folgen als Video produziert sind. MdB Frank Heinrich nennt das Format aber selber Podcast. In allen zehn Folgen steht & sitzt er vor der Kamera und erklärt zeitlos seinen Wahlkreis, was er für Schwerpunktthemen in Berlin bearbeitet und was ihm an Werten wichtig ist.

Turnus/Regelmäßigkeit: Alle 10 Folgen wurden vor ca. 7 Jahren hochgeladen und sind seitdem online.

Was gelernt?: Das Frank Heinrich begeistert von Chemnitz ist, das Wasser ein Menschenrecht ist und man mit ihm an seinem Stammtisch in der Eckkneipe diskutieren kann.

Bewertung: Klassische zeitlose Erklärvideos ohne Akualitätsanspruch, die aber den Einstieg in die Beschäftigung mit MdB Frank Heinrich erleichtern. Er sieht sich in den Videos als Außenminister von Chemnitz, der die Stadt in Berlin als Lobbyist vertritt. Die unkritischen Lobhudeleien seines Wahlkreises und seiner Bewohner*innen wirken nach den Vorkommnissen 2018 etwas aus der Zeit gefallen. Die Aufsager sind informativ, sächselnd, wirken aber insgesamt etwas gekünstelt.



MdB Jens Kestner (AfD), Niedersachsen

Name: Jens Kestner - Podcast

Länge: 3-6 Minuten 

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite& auf YouTube. 

Format: Bundestagsreden oder von Jounalist*innen geführte Interviews.

Turnus/Regelmäßigkeit: unregelmäßig, seit Dezember 2017 bisher 8 Folgen. 
Was gelernt?: Der Bundestagsabgeordnete geht seinem Mandat nach und hält Reden vor dem Bundestag. 
Bewertung: Die hochgeladenen Audiodateien sind keine Podcasts. Es handelt sich um Bundestagsreden von Jens Kestner bei denen er zu Punkten auf der Tagesordnung spricht. Da er verteidigungspolitischer Sprecher der AfD im Bundestag ist, geht es zumeist um Kriegseinsätze.
Populistischer Quark der nichts in der Kategorie Podcast verloren hat. 


Europaparlament


MEP Katharina Barley(SPD), Rheinland-Pfalz 

EUROPA IST DIE ANTWORT
Name: EUROPA IST DIE ANTWORT 

Länge: ca. 50 - 60 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf Apple Postcast, Spotify und podcast.de.

Format: Als Spitzenkandidatin der SPD zur Europawahl 2019 trifft sich Katarina Barley mit Prominenten wie Lisa Banholzer, Guido-Maria Kretschmer und Ranga Yogeshwar, um mit ihnen über Europa zu reden.

Turnus/Regelmäßigkeit: 5 Folgen zwischen März und Mai 2019.

Was gelernt?: Warum die TV-Sendung “Shopping-Queen” das große Laster von Katarina Barley ist, warum Johannes B. Kerner Briefwahl langweilig findet und was Barley wirklich glücklich macht.

Bewertung: Hochprofessionell produzierter Podcast mit prominenten Zeitgenossen. Schade, das es ein reines Wahlkampf-Instrument war und Katarina Barley seit ihrer Wahl ins Europaparlament den Podcast nicht weiter betreibt. Wäre eine gute Möglichkeit Europa in Deutschland besser hörbar zu machen. Extrem sympathische und unterhaltsame Gespräche, für alle die Europa brennen.

  
MEP Tiemo Wölken (SPD), Niedersachsen

Name: Tiemo Wölken (Mein Bericht aus dem Europäischen Parlament)

Länge:3-10 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: YouTube 

Format: Kurze Aufsager am Ende jeder Straßburg-Woche aus der Vox-Box mit den politischen Inhalten der vergangenen Tage. Dies ist ein zusätziches Angebot zu den viel gelobten Vlogs von Tiemo Wölken.

Turnus/Regelmäßigkeit: unregelmäßig häufig. Mindestens aber einmal monatlich am Ende der Straßburg-Woche.

Was gelernt?: Wie wichtig für ihn Klimapolitik ist und wie sehr der Europaabgeordnete Fridays for Future unterstützt.

Bewertung: Tiemo Wölken referiert über aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme und Themen. Mal kurze, mal lange aber meist sehr professionell produzierte Videos zur aktuellen (Europa-)Politik. Genau richtig um damit vorallem #diesenjungenleute Europa näher zu bringen. Die Klickzahlen unter den Videos zeigen: Läuft! Sehr zu empfehlendes Format, und vielleicht auch was für andere junge Abgeordnete in den Parlamenten? Auch wenn dieser Podcast ebenfalls eher ein Vodcast ist. 


MEP Dr. Udo Bullmann (SPD), Hessen

Name:Euro-Podcast von und mit Udo Bullmann

Länge: 12 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf der eigenen Webseite und bei Google Podcasts, Anchor.fm,  Radio Public, Breaker undSpotify.

Format: LockerersGesprächsformat mit seinem Mitarbeiter Moritz Deutschmann.


Turnus/Regelmäßigkeit: Am 04. Oktober 2019 frisch gelauncht, seitdem: 1 Folge.

Was gelernt?: Welche Macht das Europaparlament gegenüber der EU-Kommission hat, wenn es um die Vergabe der Kommisarsposten geht.

Bewertung: Udo Bullmann versucht nach 20 Jahren als Europaabgeordneter mal was Neues, um etwas mehr Bürgernähe & Transparenz zwischen Brüssel und Hessen herzustellen. Im sympathischen sozialdemokratischen Duz-Modus erklärt er leicht verständlich wie das Parlament die zukünftigen Kommissare grillen wird und wie die EU-Bubble funktioniert. Der Stimme hört man gerne zu & nimmt einige Infos mit. Nun muss er kontinuierlich "liefern", auch wenn es nicht so spannend ist wie aktuell.



MEP Moritz Körner (FDP), Nordrhein-Westfalen 

“Europa, wir müssen reden”
Name:“Europa, wir müssen reden”

Länge: 24-32 Minuten

Plattformen auf denen der Podcast ausgespielt wird: Auf Podigee undSpotify.

Format: Dialog mit Europaabgeordneten aus anderen Fraktionen.

Turnus/Regelmäßigkeit: Am 19. September 2019 frisch gelauncht, seitdem: 2 Folgen.

Was gelernt?: Welche Gefühle ein/e Europaabgeordnete/r während der Europahymne verspürt und die vielfältigen Sprachfähigkeiten von EU Parlamentarier*innen. ;) 

Bewertung: Ein scriptfreies Gespräch über den Zustand und mögliche Visionen der Europäischen Union. Sehr informatives Format gerade in Bezug auf Prozesse im EU- Parlament und die Konfliktlinien zwischen den europäischen Institutionen.
Dieser freie und vor allem angenehm erklärende Podcast bietet für politisch Interessierte definitiv einen Mehrwert.



Zusatzstracks  


Bei der Recherche für Podcasts aus der Politik sind uns neben den hier gehörten und präsentierten noch einige weitere sehr gelungene Podcasts aus der (Kommunal-)Politiküber den Weg gelaufen, die wir den Leser*innen nicht vorenthalten wollen.

Sally Lisa Starken, SPD-Kandidatin zur Europawahl 2019 aus Bielefeld (soll es also wirklich geben) hat einen wirklich hochkarätigen, sympathischen und extrem hörbaren Podcast mit prominenten Gästen im Wahlkampf produziert. Auch nach der verlorenen Wahl podcastet sie zum Glück für die Hörer*innen weiter z.B. mit Comiczeichner Ralph Ruthe. Hörbar auf der Webseite und bei Apple Podcasts.



Quasi ein Muss für jeden Frankfurter (Oder) und für alle Kommunalpolitiker*innen ist der jeweils ca. 1 stündige Podcast “Aus dem Leben eines Oberbürgermeisters” von Oberbürgermeister René Wilke (Linke) aus Frankfurt/Oder. Sehr informativ, ehrlich, offen und auch selbstkritisch erfährt man viel aus dem Maschinenraum der Stadtpolitik. Hörbar unter Podtail und soundcloud.









Betapolitik
Kommunalpolitiker und Mecklenburg-Vorpommerns FDP-Generalsekretär David Wulff (FDP) berichtet und talkt seit 2016 mit Gästen als “Betapolitik” was die Greifswalder Kommunalpolitik und die Landespolitik bewegt. Sehr gut aufbereitete Informationen aus der Tagespolitik. Sehr konstruktiv und politisch neutral.
http://betapolitik.de/ 





Funfact: Die ältesten archivierten Podcasts von Politiker*innen, die wir auf den einschlägigen Plattformen finden konnten, stammen aus den Jahren 2007 (MdL Michael Albers (SPD), Niedersachsen) und 2009 (MdL Günther Felbinger (Freie Wähler), Bayern). Das zeigt, dass es schon 12 Jahre vor dem Hype Podcasts von Politiker*innen gab, die Zeit war aber wohl noch nicht reif dafür? 


 Mitautor

Portrait
Finn Lasse Andresen
Finn Lasse Andresen ist 21 Jahre alt und studiert Politikwissenschaft und Soziologie an der Christian-Albrechts Universität zu Kiel. 

Interessiert an politischer Kommunikation und Sozialen Medien. Ansonsten norddeutsch und Segler.

Twitter: @Filandresen 
Instagram: @Filandresen


Twitter-Analyse: Wie nutzen Bundestagsabgeordnete Twitter zur Vernetzung?

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Dies ist ein Gastbeitrag von Simon Storks, Berater bei pollytix strategic research und Lutz Ickstadt, Student der Empirschen Demokratieforschung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 

Key-Findings

  1. Bundestagsabgeordnete vernetzen sich bei Twitter vor allem innerhalb der eigenen
    Logo pollytix strategic research
    Fraktion

  2. Eine politische Spitzenposition sorgt sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigenen Fraktion für eine hohe Reichweite in Form von Follower*innen. 

  3. Nur ein kleiner Teil der Abgeordneten nutzt Twitter aktiv zum Netzwerken über Fraktionsgrenzen hinweg.

  4. Die Netzwerker*innen sind häufiger Abgeordnete ohne Spitzenposten (aus der zweiten Reihe), die Twitter damit anders nutzen als ein Großteil ihrer Kolleg*innen.

  5. Die Vernetzung kann sich durchaus positiv auf die eigene Reichweite in Form von Follower*innen auswirken – #Follow4Follow funktioniert auch im Bundestag.

 

Vernetzung der Bundestagsabgeordneten bei Twitter


Twitter ist ein zentrales Instrument politischer Kommunikation. Hier tummeln sich Abgeordnete, Journalist*innen und CEOs, versuchen Aufmerksamkeit zu generieren, Themen zu setzen, informieren und vernetzen sich.

Stand September 2019 haben 76% der Bundestagsabgeordneten einen Twitter-Account und nutzen oder bespielen diesen mal mehr, mal weniger aktiv: Im Schnitt wurden von den twitternden Abgeordneten in den letzten drei Monaten 165 Tweets abgesetzt, durchschnittlich hat jede*r von ihnen 11.838 Follower*innen und folgt selbst 811 anderen Accounts.

540 von 709 MdB nutzen im September 2019 Twitter
Infografik: Wieviele Bundestagsabgeordnete nutzen Twitter? (Stand 9/2019)

Unser interaktives Twitter-Netzwerk der Bundestagsabgeordneten visualisiert die gegenseitige Vernetzung der Abgeordneten untereinander: Wer folgt wem und wem folgt wer? (https://mdb.pollytix.de/).

Die einzelnen Punkte symbolisieren bei Twitter aktive Abgeordnete und die Linien zwischen ihnen Verbindungen in Form von Twitter-Followerschaft. Abgeordnete mit vielen gemeinsamen Verbindungen liegen näher beieinander; Abgeordnete mit nur wenigen Verbindungen liegen weit außerhalb des Netzwerks.


Netzwerk-Karte
Infografik: Interaktives Twitter-Netzwerk der Bundestagsabgeordneten



Auf den ersten Blick wird bereits deutlich: Bis auf einzelne Ausreißer ordnen sich die Abgeordneten auch im „Twitter-Bundestag“ zu Fraktionen zusammen, zwischen denen mal mehr mal weniger Vernetzung besteht. Wenig Verbindungen bestehen zu den twitternden Abgeordneten der AfD

Über Fraktionsgrenzen hinweg


Netzwerkgrafik
Infografik: Fraktionsübergreifende Vernetzung


Die Grafik oben visualisiert, wie vernetzt Abgeordnete bei Twitter in andere Fraktionen sind. Je weiter rechts, desto mehr Abgeordnete anderer Fraktionen interessieren sich für die Tweets des*r Abgeordneten und folgen ihr/ihm, je weiter oben, desto mehr Interesse zeigt der Abgeordneten selbst an fraktionsübergreifender Vernetzung durch wechselseitiges Folgen.

Bei dieser fraktionsübergreifenden Vernetzung lassen sich vier Typen charakterisieren: Sprachrohre, Netzwerker*innen, die Mittelfeld-Gruppe und die eher passiven User*innen.

Infografik: Fraktionsübergreifende Vernetzung mit Einteilung nach Typen



Die Sprachrohre: 


Zur ersten Gruppe zählen unter anderem Peter Altmaier (CDU), Christian Lindner (FDP) und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen). Sie haben eine hohe Reichweite in andere Fraktionen, von denen sie jedoch nicht Vielen zurück folgen. Sie nutzen Twitter hauptsächlich als Sprachrohr. Das trifft insbesondere auf (ehemalige) Spitzenpolitiker*innen zu, die generell auch außerhalb des Bundestages viele Follower*innen haben, weil jede*r mitbekommen will, was diese Abgeordneten zu sagen haben. Die Analysen deuten darauf hin, dass Spitzenposten für eine hohe Reichweite in andere Fraktionen relevant sind. 

Die Netzwerker*innen: 


Die Netzwerker*innenStefan Liebich (Die LINKE), Dorothee Bär (CSU) und Johannes Kahrs (SPD), haben mehrheitlich keine parteiinternen Spitzenposten inne. Sie haben dennoch, wie die Sprachrohre, überdurchschnittlich viele Follower*innen aus anderen Parteien, und sind zugleich sehr gut wechselseitig mit diesen vernetzt – das bedeutet sie folgen zurück. Auffällig ist, dass alle drei Netzwerker*innen auf Twitter besonders aktiv sind. Mit 10.335 (@kahrs), 387 (berlinliebich) und 342 (@DoroBaer) Tweets in den letzten drei Monaten liegen sie alle klar in der Spitzengruppe der „Viel-Twitterer*innen“ im Bundestag – und liegen klar über dem Durchschnitt von 168 Tweets in den vergangenen 3 Monaten. 

Mittelfeld: 


Eine dritte Gruppe bewegt sich zwischen Sprachrohren und Netzwerker*innen: u. a. Konstantin von Notz und Sven-Christian Kindler (beide Bündnis 90/Die Grünen). Diese Abgeordnetenhaben eine überdurchschnittlich hohe Reichweite in andere Fraktionen und sind auch mit vielen dieser Follower*innen vernetzt (folgen sich also gegenseitig), sind aber noch nicht so erfolgreich wie die Gruppen der Sprachrohr-Nutzer*innen oder die Netzwerker*innen. Hier arbeiten viele nach dem Prinzip #Follow4Follow, um ihre Reichweite auszubauen. 

Die passiven User*innen:


Der größte Anteil der Abgeordneten hat jedoch weder eine große Followerschaft aus anderen Fraktionen, noch folgen sie selbst vielen Abgeordneten anderer Fraktionen. 

Innerhalb der eigenen Fraktion


Fraktionsintern dreht sich das Bild um 180 Grad, das sich bei der Analyse der Vernetzung über Fraktionsgrenzen hinweg zeigte. Die folgenden Grafiken zeigen auf den ersten Blick die wichtigste Erkenntnis: Die meisten Abgeordneten nutzen Twitter primär für die Vernetzung innerhalb der eigenen Fraktion. 

In der CDU/CSU-Fraktion ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier das größte Sprachrohr/der Abgeordnete mit den meisten Follower*innen. Die Netzwerker*innen innerhalb der CDU/CSU-Fraktion sind Marco Wanderwitz, Steffen Bilger und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak– also Abgeordnete mit fraktions- bzw. parteiinternen Spitzenposten: Zwei Staatssekretäre und ein Generalsekretär. Das trifft ebenso auf Ralph Brinkhaus (Fraktionsvorsitzender) zu. Die Anzahl der Bundestagsabgeordneten, die ihm folgen, hat sich nach der Übernahme des Fraktionsvorsitzes innerhalb eines halben Jahres nahezu verdoppelt.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung CDU/CSU-Fraktion


Bei der SPD ist es gleich eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die alle innerhalb der Fraktion gut vernetzt sind und das bei einer ähnlich hohen internen Reichweite. Carsten Schneider, Thomas Oppermann und Martin Schulz fallen hierbei etwas ab, sie nutzen Twitter vor allem als Sprachrohr innerhalb der SPD-Fraktion. Auch hier bestätigt sich also, dass (ehemaligen) Spitzenpolitiker*innen eine große Reichweite haben, während Politiker*innen aus der zweiten Reihe vor allem mit einer guten Vernetzung eine hohe Reichweite erreichen können – wie man anhand der Beispiele Johannes Kahrs, Dr. Eva Högl und Bärbel Bas sehen kann.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung SPD-Bundestagsfraktion


Die Grünen sind fraktionsintern am besten vernetzt. Kaum Grünen-Abgeordnete folgen niemandem aus den eigenen Reihen zurück. Ausnahme ist Toni Hofreiter. Er nutzt Twitter nur um auf seinen Facebookaccount zu verweisen. Trotzdem hat er 10.500 Follower*innen, darunter auch knapp 50 Grünen-Abgeordnete. 

Wie schon bei der SPD gibt es bei den Grünen gleich eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die innerhalb der Fraktion allesamt sehr gut vernetzt sind, unter anderem: Annalena Baerbock, Britta Haßelmann, Katrin Göring-Eckardt und Agnieszka Brugger. Insgesamt zeigt sich aber auch bei denen Grünen, dass sich die Fraktions- und Parteistrukturen stark auf Twitter widerspiegeln. Mit Katrin Göring-Eckardt (Fraktionsvorsitzende), Annalena Baerbock (Parteivorsitzende) und Britta Haßelmann (Geschäftsführerin) haben die Top-Netzwerkerinnen alle Spitzenpositionen inne (gehabt).

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen



Wie bei der Grünen-Fraktion ist auch innerhalb der FDP-Fraktion die Vernetzungsdichte sehr hoch. (Fast) alle in der FDP-Fraktion folgen Christian Lindnerund er folgt zurück. Bei der fraktionsinternen Vernetzung wird deutlich, dass Christian Lindner Twitter durchaus zur Vernetzung nutzt – nur eben nicht über Fraktionsgrenzen hinweg. Weitere Netzwerker*innen innerhalb der FDP-Fraktion sind mit Marco Buschmann, Florian Toncarund Marie-Agnes-Strack Zimmermann keine Abgeordneten, die eine hohe Reichweite auch in andere Fraktionen haben. 

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung FDP-Fraktion 


Wie auch bei der Vernetzung in andere Fraktionen, fallen bei den Linken Stefan Liebich und Bernd Riexingerals Netzwerker innerhalb der Fraktion auf. Mit Niema Movassat ist außerdem ein Abgeordneter unter den Top-Netzwerker*innen der Linken, der keinen parteiinternen Spitzenposten innehat. Die Spitzenpolitikerinnen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht nutzen Twitter hingegen auch innerhalb der eigenen Fraktion überwiegend als Sprachrohr und sind kaum mit den eigenen Fraktionsmitgliedern vernetzt.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung Linksfraktion



Die AfD-Fraktion ist intern im Durchschnitt moderat vernetzt. Bei der AfD sind mit Frank Pasemann, Götz Frömming und Mariana Harder-Kühnel erneut Abgeordnete ohne Spitzenposten unter den besten fraktionsinternen Netzwerker*innen. Die Spitzenpolitikerinnen Beatrix von Storch und Alice Weidel haben innerhalb der AfD-Fraktion die größte Reichweite und sind durchaus auch gut vernetzt. Insgesamt gibt es bei der AfD-Fraktion viele Abgeordnete, die niemandem oder nur sehr wenigen Fraktionsmitgliedern zurück folgen, also sehr schwach vernetzt sind.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung AfD-Fraktion



Bei der durchschnittlichen fraktionsinternen Vernetzung haben wir uns angeschaut, wie viele Abgeordnete der selben Fraktion sich im Mittel gegenseitig auf Twitter folgen. Außerdem haben wir jeweils den*die Abgeordnete herausgegriffen, der*die fraktionsintern am besten vernetzt ist.

Infografik: Durchschnittliche fraktionsinterne Vernetzung nach Fraktionen bei Twitter

Auffällig ist, dass die fraktionsinterne Vernetzung stark mit der Twitterquote der jeweiligen Fraktion korreliert, also dem Anteil der Abgeordneten einer Fraktion mit Twitteraccount. Die Grünen stechen deutlich heraus: Zurzeit die kleinste Fraktion im Bundestag und zugleich die Fraktion mit der zweithöchsten Twitterquote: Mit 93% nutzen fast alle Abgeordneten der Grünen Twitter. Gleichzeitig sind sie mit 77% untereinander sehr stark vernetzt. Ähnlich ist es bei der FDP-Fraktion: 95% der FDP-Fraktionsmitglieder twittern und mit 64% sind sie überdurchschnittlich stark innerhalb der eigenen Fraktion vernetzt. Auf der anderen Seite hat die CDU/CSU mit 139 von 246 Abgeordneten die geringste Twitterquote und gleichzeitig die geringste durchschnittliche interne Vernetzung (24%). Die Fraktionen, die insgesamt weniger auf Twitter vertreten sind, sind dort auch schlechter intern vernetzt.

Fazit


Nur wenige Abgeordnete sind auf Twitter über die eigenen Fraktionsgrenzen hinweg vernetzt. Der Großteil der twitternden Abgeordneten vernetzt sich nur innerhalb der eigenen Fraktion. Um fraktionsübergreifend besonders erfolgreich zu sein, ist ein Spitzenposten hilfreich. Die kleine Gruppe der Netzwerker*innen besteht aus „Heavy-Twitter-User*innen“ wie Dorothee Bär, Stefan Liebich und Johannes Kahrs – sie schlagen die Brücke zu den twitternden Kolleg*innen anderer Fraktionen am stärksten.

Insgesamt gibt es mehr Abgeordnete ohne fraktions- und parteiinterne Spitzenposten, die sich auf Twitter gut vernetzen und die Plattform damit anders nutzen als ein Großteil ihrer Kolleg*innen. 

57 Prozent vernetzen sich über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg
Infografik: Wieviele MdB vernetzen sich über eigene Parteigrenzen?
Sich nicht oder nur wenig zu vernetzen stellt die Normalität im Twitter-Bundestag dar. Twitter wird auch innerhalb des Bundestags von Vielen stark für eine Ein-Weg-Kommunikation und weniger zum Austausch bzw. zur Vernetzung genutzt. Twitter lediglich als Sprachrohr in die eigene Fraktion oder die Öffentlichkeit zu nutzen, ist der „default mode“.

Ganze 133 Abgeordnete sind gar nicht über Fraktionsgrenzen hinweg vernetzt. 269 der Abgeordneten sind gerade mal mit einem bis maximal 9 anderen Abgeordneten vernetzt. 138 Abgeordnete sind mit über 10 Abgeordneten vernetzt, aber lediglich 6 davon mit mehr als 59 Abgeordneten (und damit über 10% aller twitternder Abgeordneten). 



Autoren

Simon Storks
Simon Storks ist Berater bei pollytix strategic research. Er ist Soziologe (M.A.) und spezialisiert auf Methoden der empirischen Sozialforschung sowie politische Partizipationsforschung. Bei pollytix berät er auf Basis qualitativer und quantitativer Meinungsforschung Kunden im politischen und gesellschaftlichen Bereich.

Twitter: @SimonJDoe


 



Lutz Ickstadt
Lutz Ickstadt studiert Empirische Demokratieforschung (M.A.) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Wahlforschung. Zur Bundestagswahl 2017 hat er unter anderem bei einer Twitter-Analyse zum TV-Duell mitgearbeitet und den YouTube-Kanal "Was mit Wahlen" mit aufgebaut.

Twitter: @Ickyl






Wahlplakate from Hell: Hamburger Bürgerschaftswahl 2020 + Bonus

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Der Klassiker ist zurück! 

Nachdem ich imEuropawahlkampf 2014, bei der Hamburger und der Bremer Bürgerschaftswahlen 2015, bei den Landtagswahlen im März und September 2016 sowie den Landtagswahlen 2017, der letzten Bundestagswahl 2017, bei den Europa- und Kommunalwahlen 2019 und den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen & Thüringen 2020 die schönsten "Wahlplakate from Hell" präsentiert habe, konnte ich eurem Wunsch nicht widerstehen und habe auch wieder zur Hamburger Bürgerschaftswahl (23.02.2020) einige schöne Motive drüben bei Twitter und Facebook zusammengetragen.

Hier nun alle auf einen Blick:

Hamburger Bürgerschaftswahl (#hhwahl)


"Nele" Cornelia Bruns, FDP

Martina Koeppen, SPD

Anna Gallina, Bündnis 90/Die Grünen

Philipp Heißner,CDU

Arne Nüchterlein, CDU

Dr. Aubrey de Grey, Partei für Gesundheitsforschung

Partei für Gesundheitsforschung

 

Bonustracks 


Junge Union Mettenheim



TikTok: Wie ich als Politiker das neue Videoportal entdecke

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Dies ist ein Gastbeitrag von Jonas Bayer, er war FDP-Kandidat zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020 und ist einer der ersten aktiven & erfolgreichen deutschen Politiker*innen auf der Plattform Tik Tok.


Screenshot
Jonas Bayer aka @jonas_bayer bei Tik Tok
Soll man im digitalen Wahlkampf über den Tellerrand von Twitter und Facebook hinausschauen? Für mich als jungen Kandidaten(21) zur Hamburger Bürgerschaftswahl war es weniger die Frage ob, sondern vielmehr nach dem Wie. Instagram wäre jetzt die Antwort vieler, aber das ist für mich längst Selbstverständlichkeit – privat sowieso. Die Antwort war schnell gefunden: Das neue Videoportal TikTok.

 

Wieso ausgerechnet TikTok?


TikTok ist ein Medium, bei dem besonders Jugendliche Kurzvideos von max. 60 Sekunden, meist deutlich kürzer, hochladen. Dabei handelt es sich oft um „lip sync“, also der Vertonung von vorhandenen Tonspuren, oder Sketche, die Probleme des Alltags darstellen oder einfach nur scherzhaften Hintergrund haben. Für mich war nun also die Aufgabe, politische Inhalte in lockerer Atmosphäre zu verpacken. Dazu muss man natürlich zunächst zielgruppengerechte Inhalte von Uninteressanten filtern. In meinem Fall waren das beispielsweise Digitalisierung, Tierschutz und allgemein die Niedrigschwelligkeit der Politik, bei der jeder mitmachen kann und sollte. Denn selbst wenn ich die Zuschauer nicht von meinen eigenen Inhalten überzeugen kann, wäre es ein Erfolg, die zumeist Jugendlichen für demokratische Politik begeistern zu können.

 

Aber der Aufwand, phhh!


Dazu habe ich mir mein Smartphone und gelegentlich noch ein Handystativ geschnappt – noch mehr Technik, wie etwa ein Ring-/ Videolicht, ist nicht nötig. Wie überall gibt es auch auf TikTok Trends, welche sich meist aus Challenge-artigen Sketchen oder besonders durch angesagte Musiksequenzen auszeichnen. Schnappt man sich eine solche angesagte Sequenz und überlegt sich eine witzige Art, damit beispielsweise per lip sync politische Inhalte zu vermitteln, ist das Drehbuch auch schon fertig.




@jonas_bayer Wenn Du in ##Hamburg wohnst, kannst Du bei der Wahl entscheiden, wie Du Hamburg verbessern möchtest! Ich bin Jonas Bayer, FDP Platz 19! ##fu##foyou
♬ Lets Go - kawhiyoumad


Hier habe ich mir beispielsweise einen übersteuerten HipHop Beatausgesucht, der hintereinander „Let’s go“ ertönen lässt. Dazwischen habe ich drei Themen als Text eingeblendet, die ich aus oben genannten Topics ausgesucht habe. Die Beschriftung funktioniert ähnlich wie bei Instagram-Stories und lässt sich auch mit Markern im Video timen, sodass diese nur zeitweise eingeblendet wird. Dazu noch ein paar Videoeffekte, die ebenso wie Filter einfach aus einer Art Mediathek ausgewählt und zeitlich definiert werden können. Klingt kompliziert, ist aber kinderleicht und schließlich auch für Jugendliche konzipiert. In weniger,als fünf Minuten kommt man so mit Dreh und Postproduktion zu einem soliden Videoergebnis ohne viel Vorerfahrung. Wichtig ist natürlich, wie bei den anderen sozialen Medien auch, regelmäßiges Posten. Wenn ein Zuschauer Interesse zeigt und sich den Kanal näher anschauen möchte, dann soll er nicht auf einem sonst leeren Profil landen.

 

Tik Tok ist schneller, direkter und funktioniert anders als bisherige Plattformen


Überhaupt unterscheidet sich die Oberfläche von TikTok von den übrigen Social Media Plattformen, da beim Öffnen der App kein herkömmlicher „Feed“ erscheint, sondern eine sogenannte „For You Page“. Hier werden einem die Videos angezeigt, die die App für den Zuschauer als interessant hält. Erst durch einen weiteren Klick gelangt man auf den Feed mit Inhalten der abonnierten Personen. Ziel muss es also nicht nur sein möglichst viele Abonnenten zu gewinnen, sondern auch auf die genannte For You Page zu gelangen. Auch die Verwendung von Hashtags ist möglich, wobei die Anzahl der Zeichen in der Videobeschreibung mit maximal 150 Zeichen sehr gering ist.

 

TikTok – das ist doch diese suspekte App aus China?

 

In der Vergangenheit stand TikTok gelegentlich in der Kritik, Inhalte diverser Personengruppen zu zensieren. TikTok räumt selbst Fehler in der früheren Policy ein und verspricht, dass dies heute nicht mehr der Fall ist. Zum früheren Zeitpunkt kann ich selbst nichts aus eigener Erfahrung sagen, da die App erst nach Einräumung der Policyfehler von mir genutzt wurde. Jetzt jedenfalls ist mein Feed sehr divers, ich sehe viele sehr erfolgreiche Videos von Personen mit Gehörschaden, von homosexuellen Pärchen und von Personen im Rollstuhl. Die Community ist sehr bunt und Personen berichten beispielsweise sogar, zu ihrem Outing überhaupt erst durch TikTok ermütigt worden zu sein. Und überhaupt, wenn ich auch hier einen Beitrag leisten kann und für ein tolerantes und demokratisches Miteinander werben kann, dann ist das ein Erfolg.

 

Enorme Potentiale für die Politik


Eines der ersten Tik Tik-Videos von Jonas Bayer
Ob auf TikTok aber überhaupt Platz für politischen Inhalte ist, war zunächst herauszufinden. Bisher ist die politischeLandschaft dort nämlichneben wenigen weiteren Kanälen, noch sehr farblos und trist. Die Zuschauer haben meist Pause oder Schulschluss – ob Politik da Platz hat, war anfangs ungewiss. Mittlerweile zählen meine Videos jedoch eine Reichweite von insgesamt über 168.000 Impressions, das erfolgreichste erzielte dabei im Wahlkampf über 73.000 Impressions.

Fast alle Videos erhalten hunderte Kommentare, mit teils sehr interessierten Fragen, oder dem Kommentieren mit der eigenen Meinungen. Auch obligatorische Trolle sind natürlich vertreten, das wird sich in sozialen Medien generell nur schwer vermeiden lassen. Insgesamt ist das Interesse allerdings enorm! Das ist beachtenswert, da diese Personengruppen ansonsten höchstens auf Instagram erreicht werden können. TikTok stellt also durchaus eine Möglichkeit dar, viele Jung- und Erstwähler bei einemkleinem Aufwand innerhalb von wenigen Minuten mit dem Smartphone und einem Handystativ zu erreichen.



Autor 


Portrait
Jonas Bayer
Jonas Bayer ist 21 Jahre alt, Student und war Kandidat auf Landeslistenplatz 19, sowie Platz 4 im Wahlkreis 08/Eppendorf-Winterhude, der FDP zur Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar 2020. 

Insgesamt erzielte er über 3.340 Personenstimmen bei der Wahl, nachdem er beim Wahlkampf besonders auf Onlinekommunikation gesetzt hat.

Interessiert an Social Media und Kommunikationsstratiegien. Ansonsten Feuerwehrmann und Rettungsschwimmer. Mehr über Jonas findet Ihr auf Jonas-Bayer.de. Erreichen könnt Ihr ihn unter kontakt@jonas-bayer.de, auf Twitter unter @Jonny_Bayer und auf TikTok unter @jonas_bayer.


Nachtrag Martin Fuchs: 

Liste Tik Tok in der deutschen Politik
Um nicht den Überblick über die deutsche Politik auf Tik Tok zu verlieren, habe ich vor einigen Wochen eine Excel-Liste gestartet, in der ich neue Accounts von Politiker*innen sammle, die ich bei Tik Tok finde. Gerne ergänzen oder Hinweise an martin-fuchs@hamburger-wahlbeobachter.de bzw. drüben bei Twitter (DN sind offen). Freue mich über eure Ergänzungen! 


Podcast first - Wie wir als CDU-Fraktion mit Audio-Inhalten Tausende Hörer erreichen

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Dies ist ein Gastbeitrag von Christian Fischer, er ist Pressesprecher der CDU-Fraktion des Sächischen Landtages und startete im März 2020 als einer der ersten Landtagsfraktionen in Deutschland einen eigenenPodcast. Erste Erkentnisse und Einblicke in eine podcastende Fraktion. 

Podcast Tacheles! der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag
Wir haben wirklich Glück gehabt. Eine Woche, bevor Corona alles bestimmende Thema wurde, kam das Paket mit unserer Podcast-Ausrüstung an. Insgesamt hat alles rund 1300 Euro gekostet – ein Rodecaster Pro mit drei Podmics von Rode. Dazu drei Stative, drei Kopfhörer und drei Kabel. Und eine MicroSD-Speicherkarte. Vergesst niemals die MicroSD-Speicherkarte! 

Warum 3x das Ganze, fragte mich auch unser Geschäftsführer. Ganz einfach: Einer unserer Abgeordneten redet mit einem externen Experten – gern auch kontrovers – und irgendwer Drittes muss dann ja moderieren und durch das Gespräch führen. Dieses Setting schien uns der beste Garant für eine kleine politische Debatte. 

Und es hat sich bewahrheitet! Wir machten unseren ersten Podcast einen Tag nach dem Paket auspacken noch zur Bauerndemo vor dem Landtag. Mit Paul Kompe von „Land schafft Verbindung – Sachsen“ und unserem Fraktionsvize Georg-Ludwig von Breitenbuch, der selbst ein Landwirt ist. Wir merkten sofort, wie gut es in der Kommunikation auch mal tut, etwas länger über ein Thema zu sprechen. 30 bis 45 Minuten dauern unsere Podcasts.

Wenig später veränderte der Corona-Virus auch im Sächsischen Landtag alles. Und wir fingen am 11. März mit dem ersten Podcast zu dem Thema an. Seitdem wurden zehn Corona-Podcasts erstellt. Lange Zeit waren wir die Einzigen in Sachsen, die dieses Thema mit diesem Medium bespielten. Erst später produzierte auch die Sächsische Zeitung ein vergleichbares Corona-Format als Podcast. Wir sprachen mit Restaurantbetreibern, Maskennähern, Rot-Kreuz-Helfern, Virologen, Lehrern, Ärzten, Eltern und Schülersprechern.

Michael Kretschmer (CDU)
3 Mikrofone, 3 Diskutanten inkl. einem Ministerpräsidenten (links im Bild)

Durch die Gäste kommen wir aus unserer Polit-Blase heraus. Sowohl inhaltlich, als auch bei der Reichweite. Wir sitzen eben nicht unter uns zusammen und klopfen uns virtuell auf die Schulter und sagen uns, wie toll wir sind. Durch den Gast (und ggf. auch noch weitere Telefon-Interviewpartner, die wir vorher aufnehmen), eröffnen wir eine praxisnahe Debatte mit anderen Sichtweisen, als unserer eigenen. Die Kontroverse ist sogar erwünscht, denn sie macht den Podcast erst interessant.

Natürlich wollen wir Reichweite!


Auch deshalb die Gäste. Zum Beispiel hatten wir Sarah Küttner im Programm, die als Mikro-Influencerin „Ossilinchen“ in Sachsen unterwegs ist. Die Intensiv-Schwester aus der Dresdner Uniklinik hatte am Anfang der Krise eine Nähanleitung für Behelfsmasken auf Instagram veröffentlicht. In Folge entstand die Facebook-Gruppe „Masken für Sachsen“.

Bis heute haben in den vergangenen acht Wochen 109.360 Menschen unseren Podcast gehört und 2006 Nutzer haben ihn abonniert. Besonders gut lief die Folge mit Ministerpräsident Michael Kretschmer, die an dem Plenartag vor Ostern produziert wurde, wo der Landtag eine 6 Milliarden Euro hohen Kreditermächtigung für Corona-Hilfen und Folgemaßnahmen freigab. Die positiven Hörerzahlen haben sicher auch etwas damit zu tun, dass über die Episode auf SuperIllu.de berichtet wurde und sie dort auf der Startseite verlinkt war.

Facebookposting zum Podcast
Für uns steht fest: Podcasts passen definitiv in unsere Kommunikationsstrategie. Während Sharepics auf Facebook und Instagram für den schnellen Medienkonsum gedacht sind und Story-Fotos einfach nur optisch auffallen müssen, haben wir beim Podcast die Chance, länger ein Thema zu betrachten. Der Erfolg liegt am Ende in der Distribution! Wir spielen den Podcast über unseren Hoster Podcaster.de aus – dort können wir ihn auf Spotify, Apple Podcasts, Deezer und anderen Diensten launchen. Und das für 10 Euro im Monat. Natürlich promoten wir ihn beim Erscheinen auf Facebook– mit Fotos von der Aufzeichnung, einen kleinen Teasertext und allen notwendigen Links.







Warum nicht Tik Tok?


Natürlich fragten wir uns zuvor, ob ein Podcast das richtige Medium für uns ist. Es gab auch die Überlegung, vielleicht auf Tik Tok zu gehen. Ich hatte mich vor ein paar Jahren dort schon umgeschaut. Damals hieß das Ganze noch musical.ly und bis heute ist Politik auf dieser Plattform deutlich unterpräsentiert. Tim Hendrik Walter aus Unna beweist als „herranwalt“ das selbst staubtrockenes Jura auf diesem Portal enorme Reichweiten entwickeln kann – er hat 1,6 Millionen Follower. Warum sollte man das nicht auch mit Politik können? 

Kurze Videos in einer Übersicht
Tik Tok-Account herranwalt
Einfache Antwort: Weil wir niemals so authentisch sein können, wie „herranwalt“ in seinen „60 Sekunden Jura“. Uns fehlte einfach die Fantasie, hier eine sinnvolle Strategie zu entwickeln. Tik Tok könnte uns eine neue und wesentlich jüngere Zielgruppe erschließen. Aber in der Corona-Krise waren wir halt konservativ – und wollten der bestehenden Zielgruppe mit einem Podcast ein neues Angebot eröffnen. Das Erschließen einer neuen Zielgruppe mit einem neuen Format hätte mehr Aufwand bedeutet.

Wir schließen das nicht aus – es wird auch nach Corona wieder Zeiten geben, wo man in der politischen Kommunikation sich neu ausprobieren kann. Wir haben erst einmal auf Podcast gesetzt, um längere Sendungen plattformunabhängig zu produzieren. Mit Instagram und Facebook bedienen wir zwei mediale Fastfood-Formate. Tik Tok wäre nur der Vanille-Milchshake obendrauf gewesen. 

Ressourcen effektiv einsetzen


Ein entscheidender Punkt für die Podcast-Entscheidung war auch der geringe Zeit- und Materialaufwand. Besonders im Vergleich zu normalen Videoformaten. Die Postproduktion ist für ein 30-Minuten-Podcast weitaus einfacher, als für ein gutes 45-Sekunden-Statement im Video. Es muss nichts geschnitten werden. Die Uncut-Version erhöht nebenbei auch die Authentizität, was eine gute Ausrede für Faulheit im Produktionsprozess ist. 

Untertitel fallen komplett weg. Die pflegen wir bei Videos händisch ein, da wir für mobile Endgeräte produzieren und sie deutlich größer somit lesbarer haben wollen, als die Templates von Youtube und Facebook in der automatisierten Variante. Beim Hosting ist etwas Arbeit in ein ordentliches Cover und den Begleittext zu legen, was wir dann auch für die Verteilung u.a. via Facebook nutzen. 

Wir betreten als Fraktion hier übrigens das bilderbuchmäßige #Neuland, wie es unsere Kanzlerin Angela Merkel mal nannte. Neben der CSU im Bayerischen Landtag ist uns keine Fraktion mit einem eigenen Podcast bekannt. Wahrscheinlich denken sie wie wir vor einem Jahr: Podcast sind doch out. Waren sie auch bis vor kurzem. Die Bitkom-Studie von 2019 hat uns eines Besseren belehrt. Demnach hören 22% hin und wieder Podcasts. Tendenz steigend. 


Wirkung entfalten und Follower binden


Wir haben Hörer, die sich nach jeder Folge melden. Sie geben Anregungen und Kritik, zum Beispiel welche Fragen ihnen fehlten. Wir stehen auch im Austausch mit anderen Podcastern in Dresden. Der Kollege der Sächsischen Zeitung empfahl uns eine „Station Voice“. Also eine Stimme, die den Trailer spricht – haben wir dann in der nächsten Folge gleich eingeführt. Kosten: 100 Euro und eine Stunde Arbeit. 

Einblick in die Profuktion des Podcasts Tacheles!
Das Teilen über soziale Medien ist eine entscheidende Komponente für den Erfolg. Natürlich vertaggen wir in den Promo-Postings alle Beteiligten. Beim Sport-Podcast haben wir zum Beispiel den Landessportbund und seine Gliederungen verlinkt, die den Podcast dann auch fleißig geteilt haben. So versuchen wir mit jedem Thema über die eigene Blase zu zielen. Wir hatten übrigens unseren Abgeordneten auch empfohlen, beim Teilen ihre ortsansässigen Vereine zu markieren. 

Übrigens: Erinnert ihr euch noch an die MicroSD-Speicherkarte, die ihr nicht vergessen solltet? Auf ihr speichert der Rodecaster die Aufnahmen. Ohne sie wird es halt peinlich. Oder zumindest hektisch – weil ihr eine sucht und die Gäste schon da sind. Außerdem zeigt es, dass wir auch nach 1009 Wörtern uns noch an etwas Substanzielles erinnern können. Digitale Kommunikation muss nicht nur auf die schnellen Effekte setzen. Man kann mit dem richtigen Medium auch Geschichten erzählen, die spannend bis zum Ende bleiben. 


Autor

Pressesprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages
Christan Fischer
Christian Fischer ist seit vier Jahren Pressesprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages. Zuvor war der studierte Staats- und Sozialwissenschaftler zehn Jahre für BILD in Ostdeutschland tätig, unter anderem als Chefreporter für Politik. Dort baute er die Facebook-Seiten der sächsischen Ausgaben maßgeblich mit auf. 

Kontakt: Facebook und LinkedIn.  



 

Wahlplakate from Hell: Kommunalwahl Nordrhein-Westfalen 2020

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Der Klassiker ist zurück! 

Nachdem ich imEuropawahlkampf 2014, bei der Hamburger und der Bremer Bürgerschaftswahlen 2015, bei den Landtagswahlen im März und September 2016 sowie den Landtagswahlen 2017, der letzten Bundestagswahl 2017, bei den Landtagswahlen in Bayern & Hessen 2018, bei den Europa- und Kommunalwahlen 2019, bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen & Thüringen 2020 und bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2020 die schönsten "Wahlplakate from Hell" präsentiert habe, konnte ich eurem Wunsch nicht widerstehen und habe auch wieder zur Kommunalwahl NRW (13.09.2020) einige schöne Motive drüben bei Twitter und Facebook zusammengetragen.

Hier nun alle auf einen Blick:


Lissi von Bülow, SPD (Bonn)

Nicole Bonnie, CDU (Bonn)

Dr. Martin Sommer, parteilos (Kreis Steinfurt)

Reiner Burgunder, CDU (Bonn)

Matthias Großgarten, SPD (Niederkassel)

Thomas Geisel, SPD (Düsseldorf)
 
 
Klaudia Zepuntke, SPD (Düsseldorf)

Olaf Finke, SPD (Xanten)
 
Stephan Keller, CDU (Düsseldorf)

Anna Katharina Bölling, CDU (Minden-Lübbecke)

Sebastian Mies, CDU (Köln)

Thomas Walter, CDU (Hagen)
 
Enno Schaumburg, CDU (Hardtberg)
 
Achim Wyen, FDP (Mönchengladbach)


Simon Gerhard, FDP (Rheda-Wiedenbrück)

Simon Mrotzek, FDP (Herzogenrath)
 
Franziska Müller-Rech, FDP (Bonn)
 
Jan Maik Schlifter, FDP (Bielfeld)
 
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP (Düsseldorf)
 
Johannes Wippern (FDP), Bonn
 
Dr. Cliff Gatzweiler (FDP), Aachen
 
Rainer Ludwig, BfB (Bielefeld)
 
Sascha H. Wagner (Die LINKE), Xanten
 
Ralf Sondermeyer & Michael Wolframm (Die LINKE), Hohenlimburg
 
Utz Kowalewski, (Die LINKE), Dortmund 
 
Christian Küsters (Grüne/SPD/FDP), Nettetal
 
Stefan Borggraefe (Piratenpartei), Witten

Stefan Job, Klimaliste (Düsseldorf)
 
Olaf Schlösser, Die PARTEI (Dortmund)

Die PARTEI Münster feat.  Dr. Michael Jung (SPD)

Die PARTEI Moers feat. Dino Maas (FDP)
 
Die PARTEI Düsseldorf feat. Daria Jablonowska (FDP)

 
FDP Münster feat. Cem Özdemir (Grüne)

Unabhängiges Bürger-Forum Bielefeld (UBF)
 
Piratenpartei Ennepe-Ruhr-Kreis
 
FBI Xanten
 
SPD Bochum

SPD Wassenberg
 
SPD Manfort
 
SPD

FDP Hochsauerlandkreis
 
FDP Rheine
 
FDP Harsewinkel 
 
FDP Kempen 
 
FDP Xanten
 
FDP Nettetal
 
FDP 
 
Grüne Kempen 
 
CDU Köln

CDU Monheim am Rhein
 
CDU Hamm (OB Thomas Hunsteger-Petermann)
 
CDU Hamm (OB Thomas Hunsteger-Petermann)
 
CDU Arnsberg
 
CDU Oberhausen

 

 
AfD Düsseldorf

 

AfD NRW 


 

Bonustracks - nicht aus NRW


Jürgen Dettmann (Freie Wähler Mecklenburg-Vorpommern)



 


Wer hasst wen? – Hate Speech auf den Facebook-Seiten politischer Parteien

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Dies ist ein Gastbeitrag von Bastian Rosenzweig, er hat im letzten Semester sein Bachelorstudium in Kommunikationswissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg abgeschlossen. Im Blog präsentiert er zentrale Ergebnisse seiner Bachelorarbeit zum Thema Hate Speech auf den Facebook-Seiten deutscher Bundesparteien. Hierzu analysierte er die zwischen 2016 - 2018 auf den Facebook-Seiten von CDU, CSU, SPD, LINKE, Grünen, FDP und AfD veröffentlichten Kommentare.        

 

Logo Otto-Fiedrich-Universität Bamberg
Logo Otto-Fiedrich-Universität Bamberg
Am 1. Juni 2019 erschießt der rechtsextreme Stephan Ernst den CDU-Politiker Walter Lübcke. Sowohl im Vorfeld wie auch danach wird der Mord im Internet von Hasskommentaren begleitet. Unter anderem hetzen die AfD-nahe Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach und der rechtsextreme Blog PI-News mit einem vier Jahre alten Video gegen Lübcke. Morddrohungen, die in Reaktion darauf in den Kommentaren auftauchen, werden nicht gelöscht. In den Tagen nach der Tat werden Beiträge veröffentlicht, die Freude über den Tod des Politikers ausdrücken. Auch Stephan Ernst selbst räumte später ein, in der Zeit vor der Tat unter einem Pseudonym Hasskommentare gepostet zu haben.

 

Hate Speech

Der Fall Lübcke zeigt in aller Deutlichkeit, was schon länger klar ist: dass sich Hate Speech im Internet nicht von der „realen“ Welt trennen lässt. Hassbeiträge wirken auf individueller Ebene ähnlich wie Mobbing, auf gesellschaftlicher Ebene können sie den Diskurs verzerren und die strukturelle Benachteiligung bestimmter Gruppen reproduzieren. In einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW gibt über ein Drittel der Befragten an, von Hasskommentaren verängstigt zu sein. Eine Umfrage von Campact ergab, dass sich circa die Hälfte der Befragten wegen Hate Speech seltener zu ihrer politischen Meinung bekennen.

Unter Hate Speech fallen in den gängigen Definitionen alle Äußerungen, die die Herabsetzung (also nicht etwa die Kritik) bestimmter, meist marginalisierter, Gruppen zum Ziel haben. Darunter fallen beleidigende Beiträge, die auf ganze Gruppen abzielen, aber auch herabwürdigende Äußerungen gegenüber Einzelpersonen, sofern die Herabwürdigung mit der (vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeit begründet wird.

Abbildung 1. Tortendiagramm mit Facebook-Abonnierende nach Partei
Abb 1. Facebook-Abonnierende nach Partei
Um das Ausmaß von Online Hate Speech besser einschätzen zu können, wurden in der vorliegenden Arbeit die Facebook-Seiten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien analysiert. Untersucht wurde unter anderem, wie hoch im Zeitraum von 2016 bis 2018 der Anteil an Hasskommentaren war, welche Themen dort Hate Speech nach sich zogen und welche gesellschaftlichen Gruppen davon betroffen waren.

 

 

 

 

 

Das Ausmaß

In den drei Jahren wurden insgesamt 4.447.947 Kommentare auf den Facebook-Seiten der sieben Parteien veröffentlicht, aus denen dann eine einfache Stichprobe gezogen wurde. Hate Speech findet sich in 4,33% der Beiträge. Bei der AfD (auf die 32% aller Abonnierenden und über ein Drittel aller Kommentare abfallen) ist dieser Anteil mit 6,79% am höchsten. Darauf folgen die Grünen mit 4,76% und die Linken mit 3,38%. Da Kommentare bei Facebook von den Seitenbetreiber*innen gelöscht werden können, muss man davon ausgehen, dass der Anteil eigentlich größer ist.

Balkendiagramm Anteil an Hasskommentaren nach Partei
Abbildung 2: Anteil an Hasskommentaren nach Partei und Jahr


 

Welche Themen ziehen Hasskommentare nach sich?

Wo Hasskommentare veröffentlicht werden sagt nur bedingt etwas über deren Inhalt aus, da ja auch Rechtsradikale bei den Linken kommentieren können oder Linke bei der AfD. Aufschlussreicher ist da ein Blick auf den Inhalt bzw. die Gruppe, die das Ziel der Hassbeiträge ist. Hate Speech findet sich unter Posts zu fast allen Themen. Der größte Anteil fällt hierbei ab auf die Themen Frauenrechte (15,38%), Terrorismus (11,32%) und Rechtsextremismus (10,91%).

Abbildung 3:  Balkendiagramm mit Themen, die Hasskommentare nach sich ziehen
Abbildung 3: Themen, die Hasskommentare nach sich ziehen

 

Wer ist betroffen?

Opfer von Hate Speech sind in 46,67% der Fälle Migrant*innen, im Jahr 2017 lag der Anteil sogar bei 69,23%. Der am häufigsten gelikete Hasskommentar fällt ebenfalls in diese Kategorie und beinhaltet die Aussage: „Hälse durchschneiden , das ist was sie kennen und wollen …“ Er wurde 2018 auf der Facebook-Seite der AfD veröffentlicht und bis zur Erhebung im März 2019 nicht entfernt. Des Weiteren richten sich die Hassbeiträge gegen Politiker*innen im Allgemeinen (14,44%), Muslim*innen (12,22%) und Linke (10%). Auffällig ist, dass Hasskommentare bei den Linken in 60% der Fälle auf Linke abzielen. Auch hier scheinen also eher rechts gesinnte Personen zu kommentieren.

Abbildung 4: Balkendiagramm Betroffene nach Jahr
Abbildung 4: Betroffene nach Jahr

 

Die vor allem von Anhänger*innen der AfD immer wieder bemühte These, Rechte bzw. Konservative seien ebenso oft Opfer von Hate Speech wie alle anderenkonnte nicht bestätigt werden. Nur 1,11% aller Hasskommentare richten sich gegen rechte/konservative Personen. Viel mehr lässt ein Großteil der Hasskommentare auf eine rechtsextreme Gesinnung des*der Verfasser*in schließen. Wenn man sich die Definition von Hate Speech ansieht, ist auch nichts anderes zu erwarten: Die Herabsetzung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen wird i. d. R. von rechtspopulistischen bis konservativen Kräften vorangetrieben.

 

Hate Speech in der Echokammer

Ein weiteres Ergebnis, das aus der Arbeit hervorgeht ist, dass Kommentare, die Hate Speech enthalten öfter mit „Gefällt mir“ markiert werden als Kommentare ohne. Neutrale Beiträge erhalten im Schnitt 2,60 Likes, bei Hasskommentaren liegt diese Zahl bei 4,73. Auch hier gibt es zwischen den Parteien große Unterschiede: Bei der SPD, CDU, FDP und Linken werden Hasskommentare seltener geliket als neutrale Beiträge. Einzig bei den Grünen (2,17 zu 1,81), der CSU (2,3 zu 1,87) und der AfD (5,97 zu 2,89) werden Hasskommentare häufiger mit „Gefällt mir“ markiert, bei der AfD sogar mehr als doppelt so häufig. Da die Hate Speech-Beiträge hauptsächlich auf rechtsradikale bis rechtsextreme Gesinnungen schließen lassen, kann man aufgrund dieser Zahlen davon ausgehen, dass die Seite der AfD eine Art Echokammer für solcherlei Ansichten bildet.

Auch wird auf Posts (der Parteien selbst), die bereits Hate Speech enthalten häufiger mit Hasskommentaren reagiert wird als auf andere. Auf „neutrale“ Posts folgt in 4,23% der Fälle Hate Speech, bei Hassposts ist dieser Anteil mit 8,47% ungefähr doppelt so hoch. Da die AfD die einzige Partei ist, die regelmäßig selbst Hate Speech-Beiträge veröffentlicht, kann man vermuten, dass sie selbst zum Anteil der Hasskommentare beiträgt.

 

Rechtsextremer Hass

Insgesamt ist erkennbar, dass Hate Speech erstens häufig (in mindestens 4,33% der Fälle) anzutreffen und zweitens eine vor allem rechtsextreme Angelegenheit ist.

4.33% scheinen kein so großer Anteil zu sein. Allerdings muss man beachten, dass hierunter wirklich nur Hate Speech fällt und keine reinen Falschinformationen, Beleidigungen oder harmlosere hämische Kommentare. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass sechs der sieben Parteien angeben, solche Beiträge zu löschen. Zudem enthalten über 35% der Posts auf die sich die Kommentare beziehen nur harmlose parteibezogene Inhalte wie Mitgliederwerbung, anstehende Termine oder Feiertagswünsche.

Abbildung 5: Tortendiagramm Politische Einordnung der Hasskommentare
Abbildung 5: Politische Einordnung der Hasskommentare

Dass das Phänomen Hate Speech tendenziell rechtsextremer Natur ist, ist einerseits an den betroffenen Themen und Gruppen erkennbar, andererseits auch am Facebook-Auftritt der AfD selbst. So ist sie die einzige Partei, die keine Kommentarregeln auf ihrer Seite eingebunden hat und auch keine solchen anzuwenden scheint, da sie eine hohe Zahl von Hasskommentaren stehen lässt, selbst wenn darin gefordert wird, anderen Menschen die Hälse durchzuschneiden. 

 

Die komplette Bachelorarbeit von Bastian Rosenzweig gibt es bei Das NETTZ zum Download

 

Autor 

Portrait Bastian Rosenzweig
Bastian Rosenzweig
Bastian Rosenzweig studiert an der Friedrich-Schiller-UniversitätJena Philosophie im Master. Zuvor absolvierte er ein Bachelorstudium in Kommunikationswissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, in dessen Rahmen er sich mit Online Hate Speech beschäftigte.

Twitter: @bastianrosen2g

 

 

 

 

 

Mit dem Messenger direkt zur Ministerin

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Dies ist ein Gastbeitrag von Anke Rehlinger (SPD). Sie ist stellvertretende Ministerpräsidentin des Saarlandes und Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Als eine der ersten Spitzenpolitiker:innen lebt sie den Bürgerdialog direkt und persönlich über Messengerdienste wie WhatsApp und Telegram.Über Ihre ersten Erfahrungen mit diesem Angebot berichtet Sie hier.

Ich habe ein Handy. Man kann mir dahin Nachrichten schreiben und sogar anrufen. Soweit, so unspektakulär. Selbst für die stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin des Saarlandes ist das ja gar nicht mal ungewöhnlich. Oder doch?

SharePic mit Telefonnummer für Messengerkontakt zu Anke Rehliger - Quelle Facebook
SharePic mit Telefonummer von Anke Rehlinger
Das Saarland ist ein Land der kurzen Wege. Du hast ein Anliegen an die Politik? Na dann, sprich doch mal mit Sowieso, der ist doch in der SPD. Oder frag mal den Bürgermeister Mustermann, der kann doch die Kollegen von der CDU mal anhauen. Oder Grüne, Linke, FDP. Vielleicht lebt der saarländische Zusammenhalt auch ein Stück weit davon, dass wir im Gespräch bleiben. Dass die oft empfundene Distanz zu „der Politik“ kleiner ist, wenn man jemanden kennt. Oder jemanden kennt, der jemanden kennt. 
 

Persönlich geht vor 

Und deshalb habe ich meine Handynummer in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Natürlich kann ich nicht jederzeit ans Handy gehen. Wer kann das schon? Aber von Zeit zu Zeit nutze ich Lücken in meinem Kalender und poste bei Facebook und Instagram, dass ich erreichbar bin. Nachrichten bei Whatsapp, Telegram oder per SMS gehen jederzeit und werden von mir beantwortet. Bei manchen Fragen muss ich natürlich auch mal einen Mitarbeiter recherchieren lassen. Aber meistens antworte ich selbst kurz per Text- oder Sprachnachricht. Oder rufe auch mal zurück.

„Sie sind es ja wirklich!“ hieß es schon mal überrascht, als ich ans Handy ging. Die Anliegen sind querbeet. Vom geschlossenen Fitness-Studio, existenzieller Not der Gastronomie, über die spärliche Rente oder das knappe Kurzarbeitergeld bis hin zu Menschen, die sich freuen, einfach mal kurz zu reden. Es rufen nach meiner bisherigen Erfahrung gar nicht so viele Leute an. Ich bekomme aber die Rückmeldung, dass ganz viele es sehen und super finden, dass die Möglichkeit besteht. Und das baut dann eben Distanz ab. Bislang kündige ich es allerdings nicht im Voraus an, wann ich erreichbar bin. Zum einen bleibe ich so flexibel, das auch mal spontan zu machen, wenn ich eben Zeit habe. Und zum anderen mache ich die Erfahrung, dass so etwas dann gern von Interessensverbänden genutzt wird, um massenhaft für ihr Anliegen zu werben – und damit anderen Dialog zu blockieren. 

Der Aufwand ist überschaubar 

Bei den Nachrichten ist es so: Ich habe bislang zwischen 150 und 200 Nachrichten beantwortet, die meisten habe ich während dreier „Sprechstunden“ bekommen, die ich bislang gemacht habe. Ich bekomme also keineswegs 500 Nachrichten am Tag. Ich erkläre mir das damit, dass die Menschen schon wissen, was das für ein exklusiver Weg ist, jemandem eine Nachricht aufs Handy zu schreiben. Für eine Information, die auch leicht per Google zu finden ist, nutzen das die wenigsten.

Persönliche Telegram-Nachricht von Anke Rehlinger an Martin Fuchs
Persönliche Telegram-Nachricht
Was mich überrascht hat, ist die sehr positive Grundmelodie der Nachrichten. Während man beim Blick in manche Online-Kommentarspalte denken muss, unser Land sei voller granteliger Nörgler, die nur das Wut-Emojii kennen 😡, bekomme ich per Whatsapp durchaus besorgte, aber zuallermeist freundliche Nachrichten. Und fast immer ein „Danke“, selbst dann, wenn ich mit meiner Antwort keine sofortige Hilfe versprechen kann. Das hat vielleicht mit der direkteren und nicht ganz so anonymen Kommunikation zu tun. Da ist zum Beispiel die siebenfache Mutter, die mir sagen wollte, dass der Corona-Kinderbonus sehr gut ist. Da schreiben Eltern von ihrem Unmut über die Regelungen in Schulen. Mich erreichen Nachrichten über den Zustand von Radwegen, über einen neuen Job oder die Zukunft der Industrie. 

Viele drücken ihren Schmerz aus, weil sie ihre Lieben in Pflegeheimen nicht so besuchen können, wie sie gerne würden. Andere wollen mir einfach etwas zu bedenken geben, damit ich es in die Entscheidungen der Landesregierung einbeziehe.

 

 

 

Informationen gegen Verunsicherung 

In der immer noch vorherrschenden Corona-Krise ist eine große Verunsicherung spürbar. Dagegen hilft Information. Mit wem darf ich mich noch treffen? Darf mein Laden öffnen? Darf ich Take-Away-Food verkaufen? Wer hilft mir mit meinen Finanznöten? Im Saarland haben wir Hotlines geschaltet – allein beim Wirtschaftsministerium saßen da in der Hochphase 30-40 Mitarbeiter*innen dran, wir erstellten FAQ, klärten in Facebook-Sprechstunden zur Verordnung auf, das Saarland hat sogar einen Messenger-Chatbot eingerichtet, über meine Mailadressen beim Ministerium und beim SPD-Landesverband und über die Nachrichten-Funktion meiner Facebook- und Instagram-Seiten wurde hunderte Nachrichten beantwortet. Es ist nicht so, dass Politiker*innen nicht erreichbar wären– erst recht nicht im Saarland.

Und doch bleibt da eine Art Distanz-Vermutung, ein Vorurteil, dass „die Politiker“, die im Fernsehen zu sehen sind, weit weg sind. Das sind die allermeisten aber nicht. Vielleicht kann ein simples Handy ja dazu beitragen, die Distanz ein wenig kleiner zu machen.

 

Autorin

Anke Rehlinger (Foto: Fionn Grosse)
Anke Rehlinger (Foto: Fionn Grosse)

Anke Rehlinger (6. April 1976), in Wadern-Nunkirchen aufgewachsen, wohnt auch heute noch dort mit Mann und Sohn. Nach dem Abitur 1995 in Merzig folgte ein Jura-Studium in Saarbrücken. Nach dem zweiten Staatsexamen (2003) und ihrer Zulassung als Rechtsanwältin (2005) folgte die politische Laufbahn. 2004  wurde sie erstmals in den Saar-Landtag gewählt. Ab Mai 2012 gehört Rehlinger dem Kabinett der Großen Koalition an, zuerst als Justiz- und Umweltministerin, später und bis heute als Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Seit 2018 ist sie Vorsitzende der Saar-SPD, seit Dezember 2019 gehört sie als Vize-Vorsitzende dem Bundesvorstand ihrer Partei an. Im Dezember 2020 wurde sie zur Beisitzerin in den Vorstand der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung gewählt. 

Rehlinger war zudem Leichtathletik-Leistungssportlerin (Kugelstoßen). 1996 stellte sie einen bis heute ungebrochenen Landesrekord mit 16,03 Metern auf.   

 

Addendum: Welche weiteren Ansätze gibt es, um Messenger in der politischen Kommunikation zu nutzen? Ein erster kurzer Überblick über einige Best Practice gibts von mir (Hamburger Wahlbeobachter) auf dem Blog adenauercampus der Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Zitel: "Die Messengerisierung der politischen Kommunikation"

Kennt ihr weitere Best Practce aus Politik und Verwaltung? Dann gerne her damit!  

Wahlplakate from Hell. Landtagswahlen Baden-Württemberg & Rheinland-Pfalz 2021

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 Der Klassiker ist zurück! 

Nachdem ich imEuropawahlkampf 2014, bei der Hamburger und der Bremer Bürgerschaftswahlen 2015, bei den Landtagswahlen im März und September 2016 sowie den Landtagswahlen 2017, der letzten Bundestagswahl 2017, bei den Landtagswahlen in Bayern & Hessen 2018, bei den Europa- und Kommunalwahlen 2019, bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen & Thüringen 2020, bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2020& bei der Kommunalwahl Nordrhein-Westfalen 2020 die schönsten "Wahlplakate from Hell" präsentiert habe, konnte ich eurem Wunsch nicht widerstehen und habe auch wieder zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg & Rheinland-Pfalz (13.03.2021) einige schöne Motive drüben bei Twitter und Facebook zusammengetragen.

Hier nun alle auf einen Blick:

Baden-Württemberg


Florian Wahl, SPD

 

Alexander Kohl, FDP feat. Susanne Eisenmann (CDU)

 

Helge Kaltenbach, FDP

 

CDU Baden-Württemberg

 

CDU Baden-Württemberg

 

 

 

Rheinland-Pfalz

 
Johannes Klomann, SPD

 

Malu Dreyer, SPD

 

Daniela Schmitt, FDP

 

 

Bonus: Kommunalwahl Hessen 

 

Regina Shiels, CDU Höchst

 

CDU Frankfurt/Main 

 

 SPD Darmstadt

 

Unabhängige Fraktion Freier Bürger Darmstadt

 

Freie Wähler Darmstadt 

#deinewahl? Influencer:innen und ihr Einfluss auf die politische Meinung von Jugendlichen

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Dies ist ein Gastbeitrag von Luisa Muth. Die vorliegenden Erkenntnisse sind Teil ihrer Bachelorarbeit an der Ludwigs-Maximilians-Universität München, die sie bei Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius abgelegt hat. 

 

„Daher bitten wir alle: Wählt nicht die CDU/CSU, wählt nicht die SPD. Und wählt schon gar nicht die AfD […].“ (Rezo ja lol ey, 2019).

 

Das forderte Influencer Rezo zusammen mit über 90 YouTuber:innen in einem offenen Brief auf Social Media vor der Europawahl 2019. Millionen Aufrufe innerhalb weniger Tage stießen einen gesellschaftlichen Diskurs an, der Politik und Medien beschäftigte (Duckwitz, 2019). 


Screenshot aus Video von Rezo "Die Zerstörung der CDU"Quelle: YouTube @Rezo ja lol ey

 

Seit ein paar Jahren haben Rezo, Louisa Dellert und Co. das Phänomen „Influencer:innen“ über die Grenzen von Beauty, Gaming und Sport hinaus in den politischen Kontext gebracht. Durch ihre überwiegend junge Zielgruppe (JIM, 2019) bilden sie in der politischen Kommunikation eine erhebliche Säule in der Beeinflussung der politischen Meinung ihrer Nutzer:innen (Duckwitz, 2019). Doch können diese soweit in die politische Meinungsbildung von Jugendlichen vordringen, dass die jungen Erwachsenen ihr Wahlverhalten ändern? Diese und weitere Aspekte habe ich in meiner Bachelorarbeit zur Rolle von Influencer:innen in der politischen Meinungsbildung von Jugendlichen untersucht.


Das Meinungsführerkonzept

 

Zur theoretischen Fundierung diente mir unter anderem das Meinungsführerkonzept nach Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1944), angewendet auf den digitalen Bereich. Dies besagt, dass Personen oder Organisationen einen Einfluss durch Information und Persuasion in den sozialen Medien auf die Einstellungen und Handlungen anderer Personen haben (Geise, 2017, S.4). Gerade die starke Nutzung unter jungen Menschen machen Social Media Influencers (SMI) als potenzielle Meinungsführer bei Jugendlichen interessant.


Methodik 

 

Auf Grundlage dessen habe ich zwölf qualitative, halbstandardisierte Leitfadeninterviews mit Jugendlichen zwischen 16 und 22 Jahren geführt, die Influencer:innen nutzen. Im zweiten Schritt wurden die Interviews transkribiert, codiert und mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse und einer Typenbildung ausgewertet. Hierbei sollte angemerkt werden, dass meine Ergebnisse nicht auf die Grundgesamtheit übertragbar sind. Das Ziel meiner Studie war eine tiefergehende Betrachtung des Themas, welches auf Basis meiner Erkenntnisse in Folgestudien quantitativ untersucht werden kann. 


Verschiedene Nutzungsmuster & Wahrnehmungen von Influencer:innen


Die Nutzungszwecke der Influencer:innen variieren unter den Befragten stark: mal werden sie aus Interesse an dem jeweiligen Themenschwerpunkt, mal aus Sympathie, Unterhaltungsgründen, Zeitvertreib oder eben zur politischen Information genutzt. Letztere kann intendiert und nicht intendiert stattfinden, wenn SMI wie beispielsweise Stefanie Giesingerüber Politik sprechen, obwohl der Themenschwerpunkt ihres Kanals ein anderer ist. 

Die Nutzungszwecke nehmen Einfluss auf das jeweilige Influencer:innen-Bild der Befragten. So werden SMI, die sich hauptsächlich mit Politik beschäftigen, seriöser und glaubwürdiger wahrgenommen. Denn die Befragten assoziieren sie nicht mit Werbung, sondern mit Information, Inhalten und der eigenen Meinung – ohne Einflüsse von außen. Durch die Thematisierung politischer Themen und die Äußerung ihrer eigenen Meinung sind sie jedoch auch öfter mit Hass konfrontiert, weshalb ihnen zusätzlich eine stärkere Persönlichkeit zugeschrieben wird. 

 


Quelle: Instagram @stefaniegiesinger

 

Politische Expertise fördert Glaubwürdigkeit 

Grundsätzlich können bei einigen Befragten Aspekte der Quellenglaubwürdigkeit nach Hovland, Irving & Kelley (1953) im Bezug auf SMI nachgewiesen werden. Die Glaubwürdigkeit ist höher, wenn sie keine Werbung machen, die Kommunikation an die junge Zielgruppe anpassen sowie transparente und fundierte Informationen liefern. Weiterhin sollten glaubwürdige Influencer:innen Expertise in einem Thema haben sowie konsistent und authentisch kommunizieren.

Vor allem politische SMI wie Rezo nehmen die Jugendlichen aus oben genannten Gründen besonders glaubwürdig wahr, was ein Einflusspotenzial politischer Influencer:innen  auf die politische Meinungsbildung von Jugendlichen zeigt und eine Meinungsmacht ausgehend von politischen SMI annehmen lässt.


Nachrichtenquelle Nummer 1: Tagesschau und Co. 

Es hat sich gezeigt, dass die jungen Erwachsenen die klassischen Medien zur Informations- und Nachrichtennutzung präferieren. Politische Influencer:innen werden bei höherem politischem Interesse ergänzend oder komplementär genutzt. Beispielsweise zur Diskussion von bereits rezipierten Inhalten aus den klassischen Medien oder zur Information über Themen, die von Tagesschau und Co. nicht thematisiert werden.  

Quelle: Instagram @louisadellert

Klassische Medien sind somit noch immer relevant für die Meinungsbildung von Jugendlichen. Influencer:innen, die ergänzend oder vertiefend zu einem Thema aus den Nachrichten genutzt werden, sind für die Meinungsbildung ebenso relevant. Denn SMI können zu einem Thema ihre Meinung äußern und hierzu ihre Zielgruppe mobilisieren, was sie bei einigen Befragten als digitale Meinungsführer qualifiziert. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einfluss auf die Wahlentscheidung

Der Einfluss von Influencer:innen auf die Wahlentscheidung von Jugendlichen variiert je nach Nutzungsmotiv,Bild und Glaubwürdigkeit der SMI sowie Alter, politischem Interesse und politischer Meinung der Jugendlichen. Vor allem bei Identifikation und Sympathie, ähnlichen Interessen und politischen Einstellungen zwischen Influencer:in und Follower:in sind SMI glaubwürdiger. Hier zeigt sich ein Verstärkereffekt nach Geißler (1981) der eigenen politischen Meinung durch die Nutzung von Influencer:innen. Die Befragten schätzen vor allem jüngere User:innen zwischen 16 und 19 Jahren sowie Erstwähler:innen als besonders leicht zu beeinflussen ein. Denn diese haben häufig eine weniger gefestigte eigene Meinung und identifizieren sich stärker mit den SMI, weshalb sie deren Botschaften einen höheren Glauben schenken. 

 

Verschiedene Beeinflussungstypen

Diese Erkenntnisse resultieren in vier Typen, die unterschiedlich stark von Influencer:innen in ihrer politischen Meinung und Wahlentscheidung beeinflusst werden: Die Politikinteressierten, die Vielseitig Interessierten, die Unterhaltungssuchenden und die Kommerziellen Nutzer:innen (absteigende Beeinflussung). Die größte Rolle nehmen SMI in der Meinungsbildung von politisch interessierten Jugendlichen sowie Nutzer:innen von politischen Influencer:innen ein. 



Nutzer:innen-
typen

Politik-
interessierte

Vielseitig Interessierte

Unterhaltungs-
suchende

Kommerzielle
Nutzer:innen

Politisches Interesse & Partizipation

Jeweils hoch

Hohes pol. Interesse, mittlere pol. Partizipation

Jeweils mittel

Mittleres pol. Interesse, keine pol. Partizipation

Nutzungs-
zweck Influencer:in

Politische Information

Information & Inspiration im eigenen Interessensgebiet

Zeitvertreib & Unterhaltung

Tipps & Empfehlungen, für einen Mehrwert

Definition Influencer:in

Beeinflussung & Information ihres Publikums

Vermittlung von Informationen auf einem bestimmten Gebiet.

Haben eine bestimmte Aufgabe inne, wie die Unterhaltung ihrer Zuschauer:innen

Unternehmens-
botschafter:in & Produktvermarkter:in

Nutzungs-
häufigkeit

Täglich

Tägl.-mehrmals wöchentl.

Selten

Tägl.- mehrmals wöchentl.

Informations-nutzung

Hauptquelle d. Informations-
nutzung i. d. klass. Medien, SMI helfen bei der Einordnung des v. d. Medien gesagten.

Klassische Medien & Online-Medien. Influencer-
Nutzung ist ebenfalls möglich.

Klassische Medien & Online-Medien. Influencer werden nicht genutzt.

Hauptsächlich über klassische Medien

Meinungs-
führerschaft

Vorhanden

Vorhanden in genutzten Themenbereich, möglich bei pol. Nutzung

Nicht vorhanden

Vorhanden auf dem Gebiet der Produktempfehlungen

Glaubwür-
digkeit

Groß

Groß, wenn Seriosität wahrgenommen 

Gering

Sehr gering

Beeinflus-
sungspotenzial

Hoch. Wird positiv gesehen, da Influencer:in genutzt wird, die dieselbe pol. Meinung hat.

Mittel. Bei Rezeption fundierter Information hoch, sonst gering. Wahlentscheidung über klass. Medien.

Gering. Bei seltener Nutzung pol. Influencer wie Rezo vorhanden.

Sehr gering. Pol. Äußerungen werden abgewertet.

Nutzertypentabelle, Quelle: eigene Darstellung

 

Meine Studie hat gezeigt, dass Influencer:innen durchaus einen Einfluss auf die politische Meinungsbildung und Wahlentscheidung der Jugendlichen nehmen. Jedoch ist dieser eher als eine Vertiefung der eigenen Meinung zu sehen und je nach persönlichen Prädispositionen verschieden ausgeprägt. 




Autorin 

Luisa Muth hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München Kommunikationswissenschaft mit Politikwissenschaften im Nebenfach studiert, wobei sie sich viel mit Online-Kommunikation und Rezipientenforschung beschäftigte. Zurzeit arbeitet sie in einer Agentur für Campaigning und beginnt im Herbst 2021 ihr Masterstudium.

 

Kontakt: LinkedIn



 

 

Quellen

Duckwitz, A. (2019). Influencer als digitale Meinungsführer. Wie Influencer in sozialen Medien den politischen Diskurs beeinflussen – und welche Folgen das für die demokratische Öffentlichkeit hat. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.

Geise, S. (2017). Meinungsführer und der Flow of Communication. In P. Rössler, & H.-B. Brosius (Hrsg.), Konzepte. Ansätze der Medien- und Kommunikationswissenschaft (Band 19). Baden-Baden: Nomos.

Geißler, R. (1981). Wandel durch Massenmedien. Die Verstärker-Doktrin neu durchdacht. COMM, 7, 169-185.

Hovland, C. I., Irving L. J., & Kelley, H. (1953). Communication and Persuasion. Psychological Studies of Opinion Change. London: New Haven.

Lazarsfeld, P.F., Berelson, B., & Gaudet, H. (1944). The People’s Choice. How the Voter Makes Up His Mind in a Presidential Campaign. New York: Duell, Sloan and Pearce.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2019). JIM-Studie 2019. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Online abgerufen unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2019/JIM_2019.pdf (13.10.2020).

Rezo ja lol ey (2019). Ein Statement von 90+ YouTubern. Online abgerufen unter: https://www.youtube.com/watch?v=Xpg84NjCr9c (27.11.2020).

 


Einfluss nehmen Like a Pro - Diese 4 Geheimwaffen der Influencer:innen brauchen Politiker:innen, um sich fit für Social Media zu machen

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Dies ist ein Gastbeitrag von Nadine Müller. Die vorliegenden Erkenntnisse sind Teil ihrer Masterarbeit an der brand university of applied science Hamburg, die sie bei Prof. Dr. Yonca Limon-Calisan abgelegt hat.

Playbook
Influencer Tactics Playbook von Nadine Müller
 “Die Zerstörung der CDU” von Rezo hatte 2019 die Schlagkraft, den Ausgang der Europawahl
nachhaltig zu beeinflussen. Das Video traf das traditionelle, konservative Umfeld unerwartet; die
Reaktion darauf glich einer Schockstarre. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte wohl kaum ein:e deutsche
Politiker:in Social Media Influencer:innen als ernstzunehmende politische Akteure wahrgenommen.

Doch 2019 hat sich in der Lifestyle Welt auf Social Media der Ton geändert: er ist politischer, er ist
aktivistischer, er ist die Stimme der Generation Z. Influencer:innen wie Rezo oder Louisa Dellert
sprechen auf ihren Plattformen über politische Themen, vereinfachen diese und schaffen damit
Verständnis und Interesse bei jungen Menschen
. Influencer:innen folgen durch ihre Positionierung
einer noblen Zielsetzung, den sich auch Politiker:innen zu Herzen nehmen sollte
n: Es ist ihnen ein Anliegen die Generation der jungen und zukünftigen Wähler:innen in den demokratischen Austausch zu involvieren und zu politisch aktiven Individuen zu machen.
 

#1 Wissen ist Macht - Das Neuland zur eigenen Bühne erklären, für heute, für morgen und für jeden Tag danach.


Influencer:innen beherrschen das Social Web aus dem FF: Sie nutzen ihre Kanäle mit sehr hoher,
kontinuierlicher Frequenz. Sie testen neue Features und Formate, sie probieren, verwerfen und
integrieren gut funktionierenden Content in ihre Strategie. Sie wissen um die Macht des Algorithmus
und den Kampf um Reichweite. Um diesen Kampf zu gewinnen nutzen sie die richtigen Tags, haben
die richtigen Freund:innen und Unterstützer:innen, sowie Community Management als Tools. Das
Ergebnis sind nachhaltig aufgebaute Communities und Fürsprecher:innen.

Um das zu schaffen braucht es vor allem Mut und Plattformverständnis. Beides bringen
Influencer:innen mit: Es liegt ihnen als Digital Natives in der DNA.

Auch wenn viele Politiker:innen weder Millennials sind, noch der Gen Z angehören, sollte das Internet
und Social Media schon lange kein Neuland mehr sein. Das wichtigste ist sich offen gegenüber
Neuem zu zeigen, auszuprobieren und zu lernen.
Heute gehört zu einer klassischen
Medienkompetenz auch die Fähigkeit neue Medien bespielen zu können. Politiker:innen müssen den
Umgang mit Plattformen lernen und deren Vorteile einordnen können. Erst durch Wissen können
Plattformen authentisch und glaubwürdig bespielt werden. Und auch erst dann ist es Politiker:innen
möglich Social Media in den Politik-Alltag zu integrieren und als festen, wichtigen Bestandteil der
politischen Arbeit zu sehen.

Alleine ist das beinahe nicht zu bewältigen, darum ist es empfehlenswert regelmäßige
Trainings und Workshops zum Thema Social Media zu integrieren. Alle Politiker:innen sollten
permanent up-to-date gehalten werden.

Die FDP-Spitze zeigt bereits seit 2017, dass Offenheit und Interesse an der Digitalisierung und
digitalen Kanälen der Schlüssel zum Erfolg auf diesen Plattformen ist. Mit der Aufstellung eines
Teams und sehr regelmäßigem Austausch zu Plattform-Trends und Entscheidungen über Formate
und Kanäle gemeinsam mit dem Politiker, schafft es Christian Lindner einer der Best Practices in
Deutschland zu sein. Das eigene Interesse an Digitalthemen von Politiker:innen gepaart mit einem
Team, dass dieselben Interessen teilt, ist der Schlüssel sich dem Ansatz der Influencer:innen als
Politiker:in anzunähern.

Quelle: @christianlindner Instagram, Ein Blick auf das Instagram Profil zeigt die Zusammenarbeit
zwischen Team (TL) und Christian Lindner (CL). 40 % übernimmt der Politiker selbst (siehe oben
rechts) - Team Beiträge und eigene Beiträge des Politikers sind immer mit CL oder TL
gekennzeichnet, was für Transparenz in den Profilen sorgt.


#2 Persönlichkeit ist mehr als die Person hinter dem Rednerpult - Die “Marke Mensch” ist essenziell.


Das wichtigste Gut von Influencer:innen ist die eigene Persönlichkeit. Sie sind so beliebt wegen ihrer
authentischen, echten Personal Brand. Ihr Profil steht für einen Menschen mit Gefühlen, mit
Überzeugungen und mit festen Meinungen. Dazu stehen sie. Immer. Und genau das macht ihre
Authentizität aus. Sie kommunizieren ihre Themen und ihre Expertise 24/7 und treten mit ihrem
Content in den direkten Austausch mit ihrer Community
. Sie beherrschen die Kunst der direkten
Kommunikation, aber auch des Zuhörens. Dadurch schaffen sie es zu in einer Sprache zu antworten,
die junge Generationen hören wollen, eine Sprache die sie selbst sprechen. Sie begegnen ihren
Follower:innen mit Respekt
und sind offen für kontroversen Dialog.

Auch für Politiker:innen zählt im Social Web die Persönlichkeit, die Personal Brand. Diese haben
Politiker:innen bereits - aber sie ist zugeschnitten auf klassische Mediengattungen. Für Social Media
heißt Personal Branding ein bisschen mehr als in anderen Gattungen. Es braucht in diesen Kanälen
nicht nur die Politiker:innen Marke, es braucht eine starke Personal Brand. Und diese steckt in jeder
Politikerin und jedem Politiker. Der Grund Politiker:in zu werden hängt bei den meisten mit dem
Wunsch zusammen etwas verändern und bewegen zu wollen. Dinge die einem persönlich am Herzen
liegen. Genau diese Dinge sollten Politiker:innen zusätzlich zu der politischen Agenda in ihrem Social
Media Profilen zum Leben erwecken und in Inhalten platzieren. Es geht darum, die Persönlichkeit zu
zeigen, persönliche Meinungen, Themen die einen ganz besonders bewegen.
Es sind die Dinge, die
die Persönlichkeit schärfen und erst das Profil der Marke Mensch ergeben.

Das Zauberwort ist “Authentizität” - sich selbst immer treu, persönlich, aber nie privat.

Ein Politiker, der diesen Ansatz bereits glaubwürdig und menschlich umsetzt ist Lars Klingbeil. Er
schafft es seine Politiker Marke perfekt mit seiner Personal Brand Marke zu verknüpfen: Er zeigt sein
Engagement als Politiker, sein Engagement als Mensch, Dinge die er liebt, wie seine Heimat und
Musik. Und all diese Themen ergeben ein holistisches Bild eines Menschen, der persönliche
Interessen hat, die er in seinem Job als Politiker verwirklichen will. Noch dazu kommt, dass er es
schafft durch seine persönlichen Vorlieben, wie Musik, Beziehungen zu Playern aufzubauen
, die mit Politik in ihrem beruflichen Alltag wenig zu tun haben. Bspw. taggen ihn Musiker und machen auf ihn aufmerksam. So schafft er es Aufmerksamkeit und Beliebtheit in jungen Zielgruppen aufzubauen, die normalerweise in Social Media nicht nach politischen Themen suchen.

Quelle: Instagram @larsklingbeil, Lars Klingbeil jammed zusammen mit Annenmaykantereit, Max
Herre und Parteikollege Kevin Kühnert für Viva con Agua

#3 Konsistente, starke Meinungen und kontroverser Dialog mit verschiedenen Anspruchsgruppen - Eine einheitliche Haltung über alle Kommunikationswege schafft Vertrauen.


Influencer:innen, die zu politischen und gesellschaftlichen Themen eine Stellung beziehen sind
zumeist sehr stark in ihrer Haltung. Darum nehmen sie Vorbildfunktionen ein und schaffen es junge
Menschen in diese Themen einzubeziehen. Mit ihren Themen und Meinungen werden virale
Bewegungen ins Leben gerufen und tausende gehen auch offline auf die Straße, um für Themen wie
Gleichheit oder Umweltschutz zu demonstrieren.

Starke Meinungen und starkes Agenda Surfing für gesellschaftlich relevante Themen sind Inhalte, die
Gen Z liebt. Sie erkennen ihre eigenen Visionen und Ideen wieder, fühlen sich gehört. Zudem lassen
sie sich von Meinungen und Themen überzeugen und involvieren, mit denen sie normalerweise keine
Berührungspunkte hätten. Der Fachterminus dafür ist Meaning-Transfer, oder in Deutsch:
Bedeutungstransfer und Einflussnahme. Dieser Meaning-Transfer sollte das Ziel von Politiker:innen
mit ihrer Personal Brand und ihrem Content auf Social Media sein
. Junge Menschen durch
Themensetting und Austausch in politische Themen involvieren. Die wichtigen Themen der jungen
Generation ansprechen und Gen Z bei ihren Visionen unterstützen - und das konsistent.

Politiker:innen müssen lernen, wie man Social Media als Tool für’s Zuhören und Agenda
Sufing nutzen kann. Dabei macht der Ton die Musik: Beim zuhören und Agenda Surfing geht
es darum gegenseitigen Respekt zu zeigen. Das bedeutet, nicht nur die eigenen Themen,
sondern auch die Themen der Community aufzugreifen.


Dazu braucht es 4 Dinge: Erstens gilt es Themen und Diskussionen permanent über Listening Tools
zu tracken. Zweites Themen stark zu besetzen und eine klare Stellung zu beziehen über alle
Kommunikationskanäle hinweg. Drittens gilt es in den Austausch zu treten und permanent Gen Z
zuzuhören und ihre Anmerkungen, Vorschläge und Themen ernst zunehmen. Zu guter Letzt sollte
viertens das gehörte und gelernte von Politikern auch ernsthaft weitergetragen werden. Leere
Versprechungen werden von Gen Z mit negativen Feedback (Kommentaren) bestraft - Politiker:innen
müssen die Dinge angehen, von denen sie sprechen. Erst das schafft nachhaltiges Vertrauen.

#4 Supporters Club - Social Media braucht Dialog auch außerhalb des eigenen Channel Ökosystem.


Influencer:innen nutzen ihr Netzwerk ganz gezielt, um Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu
generieren. Sie nutzen ihre Freunde, deren Profile und shooten gemeinsamen Content, um
Follower:innen zu gewinnen. Aber nicht nur das: Influencer:innen wie Rezo und Louisa Dellert
sprechen auch mit anderen Akteuren, wie Politiker:innen. Sie schaffen es durch Formate, wie
Instagram Live, ihre eigenen Themen und Themen anderer Akteure zu positionieren und aktiven
Austausch zu initiieren.

Der gewollte Austausch der Influencer:innen mit politischen Akteuren ist ein
empfehlenswertes Sprungbrett für Politiker:innen.

Sie können außerhalb des eigenen Netzwerkes ihre Personal Brand und ihre Themen platzieren. Mit
Hilfe der Influencer:innen kann ebenfalls ein Meaning Transfer stattfinden und das Image von
Politiker:innen mit weiteren, neuen Bedeutungen aufgeladen werden. Diese Meanings werden von
Influencer:innen auf Politiker:innen übertragen und machen sie oder ihn interessant für die
Follower:innen der Influencer:innen. Partnerschaften, bzw. Kooperationen bieten Politiker:innen
enormen Spielraum menschlich, nahbar und offen wahrgenommen zu werden und auf der anderen
Seite Menschen, die mit Politik bis jetzt noch nicht in Berührung gekommen sind, von politischen
Themen zu überzeugen und begeistern.

Dorothee Bär von der CSU ist ein absolutes Vorbild, was der Austausch mit Influencer:innen, anderen
Playern und Kooperationspartnern angeht. Sie trifft sich häufig mit ganz verschiedenen Menschen,
spricht mit ihnen, geht in den Austausch und gibt ihnen einen Bühne auf ihren Profilen, nutzt aber
auch die Bühne anderer Profile, um im Umfeld der jungen Zielgruppen gesehen zu werden.

Quelle: Instagram @dorobaer, Dorothee Bär weiß, dass man sich Partner suchen und sich
gegenseitig unterstützen muss um Reichweite durch Tagging auszubauen und auch auf Profilen
stattzufinden, die nicht in das eigene Kanal-Ökosystem gehören. Neben Politiker:innen und
Organisationen vernetzt sich Bär auch häufig mit Influencer:innen. Zur Hochzeit von Clubhouse war
sie unter anderem sehr aktiv in Clubhouse Rooms mit Louisa Dellert (@louisadellert) und Ann-Kathrin
Schmitz (@himbeersahnetorte)

Was wir daraus mitnehmen:


Die Geheimwaffen der Influencer:innen erscheinen auf den ersten Blick simpel, doch die Umsetzung
und vor allem die Integration dieser Taktiken in den Politkalltag ist alles andere als einfach oder von heute auf morgen umzusetzen.

Social Media bedarf immer einer Strategie, diese muss agil sein, um auf Neuerungen, Features oder
Meinungsströme antworten zu können. Darum steckt eine Menge Arbeit hinter der Umsetzung der
Influencer:innen-Taktiken.
So viel Arbeit, dass es für Politiker:innen alleine, neben dem
umfangreichen, komplexen Job, fast unmöglich ist genauso wie Influencer:innen umzusetzen.
Trotzdem ist es auch für Politiker:innen mit geringer Ressourcendecke möglich Social Media zu
nutzen, um in den direkten Austausch mit Wähler:innen zu gehen - Dann mit einer geringeren
Postingfrequenz. Zudem stecken auch Potenziale darin Sympathisant:innen an sich zu binden, die
ehrenamtlich unterstützen
, um die Social Media Profile aufzubauen und zu bespielen. Denn das
Positive an den Plattformen ist: Social Media kann jeder der möchte lernen.

Es ist aber möglich von Influencer:innen zu lernen und Teile ihrer Strategie zu adaptieren. Daher ist
der wichtigste Tipp, den sich Politiker:innen zu Herzen nehmen sollten regelmäßige Trainings in
digitaler Kommunikation zu absolvieren. Up-to-date zu sein ist die halbe Miete. Weiter ist das richtige
Team die wichtigste Waffe von Politiker:innen - mit der Hilfe eines kompetenten Social Media Team,
welches Influencer-Taktiken kennt und umsetzen kann, wird es auch für Politiker:innen möglich
Influencer:in zu werden oder sich zumindest den Influencer:innen anzunähern. 

 

Das komplette Influencer Tactics Playbook (.pdf) gibt es hier zum Download (Dropbox).


 Autorin

Portrait Nadine Müller
Nadine Müller
Nadine Müller ist als (Digital) Strategist immer darauf bedacht Marken und Zielgruppen im digitalen Raum zusammenzubringen.
Für ihre Masterarbeit im Fach International Brand Communication hat sie sich intensiv der "Marke Mensch" auf Social Media im politischen Kontext gewidmet. Mit Blick auf die wohl "heißeste Zielgruppe" unserer Zeit der Generation Z - Den Wählern von morgen.

 

 

 

 

 

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